Freispringen! Olé! Hier offenbart sich, so wie sonst nur selten, was für ein Haufen Spinner im Stall herumrennt, denn plötzlich kommen da Leute zu den offiziellen Freispringzeiten angetanzt, die hat man noch nie gesehen und wusste auch gar nicht, dass die ein Pferd besitzen. Aber sie haben eins, sie haben sogar zwei, die kommen zwar nie aus reiterlichen Gründen raus, aber Freispringen sollen die Zossen jetzt doch.
Wir hatten Sonntags morgens in unserem Reitstall eine Stunde fürs Freispringen eingeplant. Da durfte jeder sich eintragen, ich musste es mal notgedrungen, als man auf die Idee kam, dass der Todesstern eventuell springen könnte (wenn sie ja sonst schon nichts kann, nicht mal galoppieren). Und da ich Sonntags die anwesende Therapeutin für Frau Todesstern war – auf ins Elend.
Offensichtlich ist warmmachen vor dem Springen sehr überbewertet. Daher geselle ich mich schon freiwillig weit nach hinten, Madame muss sich erst mal die Haxen sortieren, also reite ich ein bisschen warm. Bleibe aber auf dem oberen Zirkel, damit ich in die andere Halle sehen kann. Will ja wissen, was da abgeht. Sehe also zwei mir völlig fremde Frauen, denen die Sprünge, die meine Reitlehrerin aufgebaut hat, schon mal zu niedrig sind, die müssen höher, besser und blöder von den Abständen her sein.
Die zwei Pferde, die dazugehören werden nun also der Reihe nach in der Halle gescheucht, während meine Reitlehrerin durch die Hintertür die Halle verlässt. Die will das Elend wohl auch nicht mehr sehen. Ich höre wildes Peitschenknallen und sehe die zwei Damen hysterisch herumrennen. Haben sie was mit ihren Pferden gemeinsam. So ganz weiß ich auch nicht, was die mit zwei Pferden da drin wollen. Das dämmert ihnen auch, und das obwohl noch kein Sprung gemacht wurde. Eins geht raus. Sollte das am Ende zum Warmmachen gedient haben?
Eins der Pferde strampelt nun über die Sprünge, wirft eigentlich jeden um und landet am Ende noch auf einer Stange. Ziemlich deutlich lahmend trottet es in die Ecke. Madame ist außer sich, das liegt am schlechten Boden in der Halle. Ich komme rüber und frage sie, ob sie irgendetwas vermisst. Ihr Gehirn oder ihren Verstand. Ich habe beides vorhin lachend Richtung Weide verschwinden sehen.
Hinter mir kichern schon ein paar Leute, die haben wohl etwas Ähnliches gesehen. Madame droht mir, wird sich über mich beschweren. Bei wem? Bei meiner Mutter? Ja, mach mal.
Sie tanzt mit ihrem lahmenden Pferd ab, das mir ehrlich leidtut. Hat schon das Telefon am Ohr. Anwalt oder Tierarzt. Tippe auf Anwalt.
Ich sattle unterdessen ab und wechsle von Trense auf Halfter, um den Todesstern dann in die Halle zu bugsieren, da rumpelt mich ein Pferdehintern an. Madames Freundin ist noch da. Hab ich mich doch glatt vorgedrängelt. Sagt sie mir auch gleich: „Ey! Ich bin dran! Hast du keine Augen?“
Nein, ich hab gesehen, dass du dir gerade an deinen gegelten Nägeln herumfummelst. Spreche ich aber nicht aus, sonst kriegt meine Mutter noch eine lange Liste an Beschwerden. Wollen wir ja nicht.
Die völlig falschen Abstände schafft auch dieses Pferd nicht, sodass ich, nachdem ich dann auch endlich in die Halle darf, alles umbauen muss. Zum Glück nicht alleine, mir helfen ein paar Mitfreispringer, die auch nur den Kopf schütteln. Anschließend darf der Todesstern mal ein zwei Kreuze und Cavalettis probieren. Macht sie sogar gar nicht sooo schlecht, ich sehe auch zum ersten Mal ihre Ohren, die sind ja sonst immer im Genick. Prustend hüpft sie drüber und scheint auch mit sich und der Welt sehr zufrieden zu sein, setzt sogar selbstständig zu einer weiteren Runde an, als ich das Scheppern der Hallentür höre und mir plötzlich ein loses Pferd entgegen kommt. So schnell bin ich nicht beim Todesstern, da hat sie den Eindringling schon entdeckt und der Laser ist auch schon am aufladen.
Ich frage mal nach was das soll. „Hallo? Hast du zufällig gesehen, dass ich noch hier in der Halle bin?“
„Ja, aber du kannst jetzt auch mal aufhören, ich bin jetzt dran.“
„Wer hat das denn festgelegt? Und kann man sein Pferd nicht erst nach dem Fragen in die Halle stellen? Du weißt schon, dass meine tritt?“
„Komm halt endlich raus mit dem Pferd, das ist doch eh Zeitverschwendung.“
Hört der Todesstern nicht gern. Der ballert einmal gegen die Hallentür, sodass Frau Landvogt sich plötzlich auf den hintern setzt und ihr Pferd verzieht sich auch in die letzte Hallenecke.
Plötzlich hat dann die Frau Landvogt es doch ganz eilig ihr Pferd aus der Halle zu holen. Nicht nur, weil hinter ihr Stimmen laut werden und sie als asozial beschimpfen. Sondern auch wegen des böse guckenden Todessterns, die jetzt bitte weiter springen möchte.
Hab ich schon mal erwähnt, dass ich Freispringen liebe?
Foto: Fehlt mir ja fast ein bisschen, ich kann nämlich immer Freispringen lassen, wenn ich dazu Lust habe.