Jeder kommt mal an einem Punkt in seinem Reiterleben, wo plötzlich alles scheiße ist. Das Pferd ist scheiße, man selbst ist scheiße und der Stallgang hat nicht mehr viel mit Entspannung zu tun. Bloß ist die Frage, was man jetzt dagegen tut. Man kann natürlich viel an sich selber arbeiten. Es klappt alles im Sattel nicht? Vielleicht noch mal Reitunterricht nehmen. Ruhig auch mal auf einem anderen Pferd, damit man das dann auf sein Pferd übertragen kann. Oder man muss plötzlich auch ständig etwas ausdiskutieren. Kommt nicht vom Hof, kommt nicht auf den Hof … kurz, das Pferd hat Pubertät. Auch wenn das Alter dafür gar nicht mehr stimmig ist.
Da hat man also jetzt einen Kurs gemacht, Reitunterricht genommen, bis der Hintern schmerzt und nen Bodenarbeitskurs gab’s noch gratis dazu. Da mus es doch jetzt mal gehen, oder? Nein? Wie, ist gar nicht alles der Reiter Schuld? Kriege ich hier doch ständig gesagt: Gibt ja nur Arschlochmenschen, keine Arschlochpferde.
Eeeeeek, falsch. Wir sind uns doch sicher einig, dass Pferde irgendetwas besonders gerne mögen können. Genauso können sie Sachen nicht mögen. Und denen aus dem Weg gehen. Auch durch Verweigerung der Mitarbeit. Oder direktes Entziehen.
Ab da wird es für den Reiter schwierig. Nicht so sehr, weil er versuchen muss, sein Pferd wieder von der Mitarbeit zu überzeugen, nein, weil er ab hier der angearschte ist – dank unserer breiten Medienlandschaft. Denn wann immer er sich umguckt, geht alles total problemlos. Und wenn er korrigieren muss, durchaus auch mal mit unschöneren Mitteln, weil ansonsten Leib und Leben von Pferd und Reiter in Gefahr sind, dann darf er das nicht sagen. Er darf es nirgends machen, nirgends erzählen und braucht auch eher nicht auf Hilfe hoffen, denn hätte das Pferd ja nur Vertrauen, würde alles gehen.
Reiter suggerieren sich also gerne gegenseitig, dass sie schlechte Menschen und vor allem schlechte Pferdehalter sind. Hier helfen Scheuklappen: Für den Reiter – nicht für das Pferd. Denn was nützen all die schlauen Kommentare der anderen Reitersleut, wenn das Pferd sich auch beim dritten Mal auf den Schmied setzt, trotz toller Vertrauensmaßnahmen, es durch den Zaun geht, wenn ihm die Weide zu blöd wird, oder es seine Box spontan als Sperrgebiet betitelt und da ohne Futter niemanden mehr rein oder rauslässt? Ja, richtig, gar nichts nützt das. Manches Verhalten kann man nicht wegdutzeln oder ignorieren. Genau hier hört der Spaß dann auf.
Denn wenn er sich an seine Reiterskollegen im Internet wendet, hat einfach niemand diese Probleme, aber einen Arsch voll Tipps. Die sind entweder total öko (auspendeln, Bachblüten) oder Hau drauf (mal durchsetzen, zusammenstellen, na, man kennt das Vokabular ja).
Es ist ja so simpel, wenns nach dem Internet geht. In der Theorie. In der Praxis schleift das Pferd einen beim auf die Weide bringen immer noch hinterher. Kommt man dann mit einer Kette oder einer Gerte, um sich mal bemerkbar zu machen, hat man die Schreihälse der Ökofraktion gegen sich: “Wie kannst du nur!” und: “Ist denn Gewalt das einzige, was hilft?”
Macht man Bodenarbeit und fordert Lektionen auf dem Weg zur Weide, kommen die Hau-Drauf-Tanten und blöken: “Knall dem mal eine, dann geht das doch.”
In einer Korrekturphase von unerwünschtem Verhalten sollte man sie alle ignorieren. Und bloß niemals Fragen stellen. Endet sowieso in einem Shitstorm. Tja, aber wie bekommt man nun Hilfe? Von auserwählten Einzelpersonen, Trainern, und handverlesenen Freunden, die nicht direkt alles pauschal sehen und in einen Topf werfen. Falls doch: Entfernen.
Manchmal ist das Internet nämlich ganz gewaltiger Unsinn. Spätestens dann, wenn jemand über ein Pferd und Reiterpaar urteilen soll, den es gar nicht kennt. Eigentlich heißt es ja: Wer nicht fragt bleibt dumm. Bei Reit und Pferdeproblemen heißt es aber ganz schnell auch: Wer fragt ist schnell der Dumme. Eigentlich sehr traurig.
Foto: Kann mittlerweile hören, warum der VW Bus hinter uns nicht anspringt.