Warum hat man einen Hengst? Manchmal lässt sich die Frage nur schwer beantworten – vielleicht hat man einen in späten Jahren übernommen, legen ist zu schwer und Hengsthaltung artgerecht möglich – dann ist alles tutti. Oder man hat einen Deckhengst – dann ist sowieso alles grün. Oder man hat einen Junghengst, der noch gelegt wird. Auch okay. Oder man ist gar jemand, der seinen Hengst zu Showzwecken hat, man sagt ihnen ja eine gewisse Ausstrahlung nach. Vielleicht hat man das Pech einen Klopphengst erwischt zu haben …
Alles nachvollziehbar bis zu dem Punkt. Leider ist diese Art der Hengsthalter eine Minderheit. Eine erschreckend kleine Minderheit, denn die meisten Leute, die einen Hengst ihr eigen nennen, haben einen Hengst, weil sie die große Hengstbändigerin sein wollen. Und weil der mal über irgendeine Stute drüberrutschen soll, wenn jemand so bescheuert ist, genau diesen Hengst zum Deckhengst zu machen. Ohne Qualifikationen und Papiere, versteht sich natürlich von selbst – es ist ein Hengst, das reicht. Hat Eier.
So stolz präsentieren sie uns dann den Hengst – auf Facebook natürlich. Wohnt allein, außerhalb des Stalls, damit er nicht schon wieder über die Zäune geht, denn er hat in jedem Fall schon „ausversehen“ gedeckt, als er mal wieder seiner Besitzerin entkommen ist. Besonders beliebt bei Shettyhengsten – wie soll der denn auch auf die Stuten kommen? Er kann … sieht man in genügend Verkaufsanzeigen. Shettyhengste wissen scheinbar, wo sie eine Leiter herbekommen um ihre Herzensdame zu begatten. Selbst wenn die ein Shire ist.
Der Hengst ist natürlich total liiiiiieb, logischerweise nur bei der Besitzerin. Die Stutenmädels sollen sich also nicht so anstellen, der will nur gucken. Und mal aufspringen, wenn er seinen heißen Tag hat. Heißt aber doch nicht, dass der dann auch deckt, der will nur spielen. Die stolze Hengstbändigerin wird auch gar nicht müde uns das auf Facebook immer wieder zu erzählen, denn sie hat ja einen Hengst und weiß damit alles. Das sind doch gar keine Verbrecher und so. Dem stimme ich sogar zu – der Hengst an sich ist kein Verbrecher – nur die Leute, die meinen, sie bräuchten einen Hengst zu Prestigezwecken und lassen ihn deshalb getrennt von allem Leben vor sich hinvegetieren – ohne Deckaussichten und Chancen und auch sonst ohne Grund. Hauptsache er hat noch Eier.
Ich habe zuletzt eigentlich ausschließlich mit Hengsten gearbeitet, Wallache finden sich seltener im Rennstall. Unsere Hengste waren alle liebe und nette Pferde. Weil sie wie alle anderen Pferde behandelt wurden und mit Kollegenkontakt standen. Das einzige, was man beachten sollte, ist dass man sie nicht hinter einer Stute in die Führmaschine steckt – das wars dann auch schon. Hengsthaltung ist im Rennstall normal. Die stehen halt nebeneinander, können sich beschnüffeln, sich pflegen, aber sich nicht ans Leben gehen. Das waren ganz normale Pferde. Einer mehr hengstig als der andere, aber nichts Wildes.
Warum muss es immer der Hengst sein? Klischeehaft sind das komischerweise keine Hannoveraner, oder irgendwelche anderen „langweiligen“ Rassen, nein – es sind Spanier, Araber oder Friesen. Oder eben Shettys, weil man zu faul war, die zu kastrieren. Selten nur finden sich andere Hengste – höchstens mal ein einsamer Traber oder Galopper, der einfach schon zu alt ist um ihn zu kastrieren – so wie man natürlich zu faul ist, die anständig zu halten.
Es muss eine imposante Rasse sein, nicht der langweilige Trakehnerhengst – komisch, da sind sie dann doch wieder zu langweilig. Das man so was noch mal über Trakehner sagt …
Die können auch alle immer steigen – wenn sie sonst nichts können, dann doch zumindest das. Ist wirklich faszinierend, wie sehr sich die Geschichten gleichen. Shettyhengste können dann meist mehrere Zirkusnummern – was ja dafür sprechen würde, dass jemand zumindest gewillt ist mit seinem Mini zu arbeiten – leider sind die Shettyhengstbesitzer nur seht selten gewillt, ihren Hengst artgerecht zu halten, oder wenigstens den Zaun sicher zu machen. Und die, die wirklich sinnvoll kleine Hengstchen halten, werden schief angesehen.
Fragt man die Leute auf Facebook, warum denn das Pferd unbedingt Hengst bleiben muss, bekommt man meist keine sinnvolle Antwort. Oder die Antwort: Der soll ja mal decken – was genauso keine sinnvolle Antwort ist.
Wie gerne hätte ich mal den Hengst bei mir ums Eck aufgenommen, der sich wie ein Eisbär im Zoo benommen hat, wenn er draußen war. Da soll mir noch mal einer erklären, es wäre ja so viel artgerechter, wenn man dem Pferd die Eier nicht wegnimmt …
Foto: War auch mal Hengst. Manchmal hat er auch Phantomeier.