Dieser Tage ist es wirklich anstrengend mit Pferdemenschen auf Facebook Kontakt zu pflegen, oder auch nur in Gruppen zu sein, denn momentan dominieren die Schockervideos. Ich bin hart im Nehmen und generell ist es ja sinnvoll, wenn Leuten die Augen geöffnet werden. Allerdings ist es auch irgendwann mal zu viel des Guten und ständig das abgeknickte Bein des Pferdes zu sehen, das angeblich ja von einem bösen Tierhasser kaputtgeschlagen wurde … neee, das mag ich nicht in meiner Mittagspause dauernd angucken.
Alle teilen das, so ganz ohne Sinn und Verstand. Jaja, Facebook erlaubt es nicht, dass Kinder hier sind, aber nur weil jemand kein Kind mehr ist, heißt das noch lange nicht, dass er sich ein Video (komplett ohne Warnung) ansehen möchte, wo einem Pferd die Gedärme aus dem Bauch hängen, während es vor einem Stier davonläuft. Was möchten die Leute damit erreichen, die das in eine Pferdegruppe posten? Dass jeder weiß, wie scheiße Stierkampf ist? Versteht sich doch irgendwo von selber. Eigentlich ist das ein gemeinsamer Konsens, ich kenne wirklich niemanden, der das gut findet. Ergo braucht eigentlich auch keiner mehr überzeugt werden. Manchmal stecken Petitionen dahinter. Meint wirklich jemand, dass durch das vermehrte Teilen von Schockervideos irgendetwas passiert? Selbst wenn viele Leute dann die Petition unterschreiben – was interessiert die Spanier das?
Stierkampf ist nicht mit einer Facebookpetition abgeschafft. Und schon gar nicht irgendwie dadurch abschaffbar, dass man aller Welt drastische Bilder dazu zeigt. Vor allem – Plötzlich interessiert es die Pferdegörlz dann wieder, weil ein Pferd zu Schaden kommt? Der Stier, der da jedes Mal qualvoll verreckt, der war dann jetzt nicht so wichtig.
Aber es ist ja nicht nur Stierkampf, es sind auch Videos aus Ländern, wo das Pferd einen (leider) anderen Stellenwert einnimmt: Als austauschbares Arbeitsgerät. Das ist auch nicht schön, dort aber leider normales Tagesgeschäft. Wenn da Pferde irgendwie unschön gezäumt sind oder schlecht behandelt werden, muss ich mir das nicht nur jedes Mal auf meiner Facebooktimeline in Hundertfach ansehen, ne, sondern ich lese auch die albernen, unhaltbaren Drohungen gegen die bösen Tierquäler. Irgendwer hat auch immer noch eine Petition zum unterzeichnen dabei. Und was nützt die, wenn wir in Deutschland fordern, dass in Uganda die Pferde nicht mehr so schwer beladen werden dürfen? Herzlich wenig. Ebenso nützt es auch keinem, sich dann zehn mal anzusehen, wie sich vor gefühlt 100 Jahren, ein Pferd dabei das Genick gebrochen hat. Denn oft sind die Videos nicht mal aktuell, den aktuellen Stand kennt keiner, aber Hauptsache wir haben es geteilt und aller Welt kundgetan wie böse das ist.
Dann gibt es da natürlich noch die Schockervideos vom Pferderennen. Die sind auch meistens alt (oder aus Amerika und alt). Wie oft zum Beispiel das Horrorvideo auf youtube angeklickt wurde, wo in Hamburg Pferde kollidiert sind. Deutlich öfter als ein normales Rennvideo, das kann ich euch versichern … unnormal. Da hat aber sicher auch jemand eine Petition gegen. Dass Pferde … öh … nicht mehr falschrum reiterlos auf der Bahn rumlaufen dürfen oder so.
Ich frage mich echt, warum Leute so etwas teilen. Welche Intention steckt dahinter? Aller Welt versichern, dass man etwas offensichtlich Schlimmes schlimm findet? Aufklärung kann es nicht sein, denn die meisten dieser Videos sind vor allem bekannt und die Missstände, die es thematisiert auch. Kenne kaum jemand, der nicht weiß, was die Amis mit den Walkern anstellen.Und selbst wenn ich etwas habe, das eine völlig neue Art von Quälerei zeigt, dann überlege ich mir doch erst mal: Was mache ich damit, wo kann ich es hingeben, dass den Tieren dort so schnell wie möglich geholfen wird. Und eins ist klar: Facebook ist nicht der Ort, der dafür sorgt.
Also muss ich davon ausgehen, dass es derselbe Kram ist, der Leute bei einem Autounfall zu Gaffern macht: Sensationsgeilheit. Ich erwische mich ja manchmal sogar selber dabei, solche Videos anzuklicken, wenn alle Kommentare darunter total hysterisch sind.
Klar müssen manche Dinge an die Öffentlichkeit. Aber ganz sicher keine total offensichtlichen Dinge wie Stierkampf, sowie Videos die 100 Jahre alt sind. Wenn ich noch einmal lese, dass wieder irgendwelche Facebook Honks das Mädel erwürgen wollen, die Hundewelpen ersäuft, weil wieder ein Schlaumeier dieses total aktuelle Video geteilt hat, dann flippe ich aus!
Jetzt kommen bestimmt gleich wieder die Superschlauen und sagen: Das MUSS man sehen, damit man weiß, wie schlimm die Welt ist. Soll ich euch Meckerfritzen mal was sagen? Das weiß ich auch ohne ein Video, wo sich ein Pferd zwei offene Brüche zuzieht und auf den Stumpen noch weiterrennt. Und selbst wenn ich das nicht wusste, weiß ich sehr wohl, dass es überhaupt nichts daran ändert, wenn ich mein Mittagessen wegstelle, weil dieses Video mich überall auf Facebook anspringt.
Guckt euch doch lieber Facebookvideos an, wo solchen armen Geschöpfen geholfen wird. Da gibt es genug Seiten. Die dokumentieren und erklären sehr gut, wie schlecht es dem Tier vorher ging. Und was dafür getan wird, dass es ihm besser geht. Das ist deutlich informativer. Aber natürlich auch weniger schockierend … gebe ich zu. Wenn man nur gaffen will, ist das ja langweilig.
Weniger schlimm finde ich Videos, die Natur zeigen. Wo Hengste in freier Wildbahn kämpfen, oder ein Jäger seine Beute reißt – auch wenn es ein Pferd ist. Das stört mich nicht, das ist die Natur dieser Tiere, daran ist nichts unnormal oder abartig. Was in der Natur passiert, sollten gerade wir Pferdebesitzer uns immer vor Augen halten, wenn wir mal wieder erzählen, wie natürlich unsere Pferde doch Leben. Am Arsch …
Foto: Haben keine Lust mehr auf Horrorvideos und drehen uns den Hintern zu.