Wir Reiter haben Übung im Pokerface. Vor allem, wenn es darum geht, dass man uns Angst, oder Zorn, oder Überforderung zu kaschieren. Aber auch sonst haben Reiter das Pokerface deswegen, damit keiner das blanke Entsetzen fühlen kann, das sich gerade in ihrem Kopf abspielt.
Wenn man Reiter also in manchen Situationen beobachtet, könnte man meinen, die stehen nur da und pfeifen im Kopf: Always look on the bright side of life. Aber das stimmt nicht.

Situation 1)
Pferd buckelt und rast an der Longe herum, möchte auch gar nicht mehr anhalten.
Was der Reiter tut: Nix. Oder gegenhalten. Bringt beides nichts.
Was der Reiter denkt: „Oh, Gott, gleich tritt er in ein Loch, Splitterbruch, Knochen kommen raus, Oberschenkelknochen bohrt sich in das Herz und dann ist er direkt tot!“

Situation 2)
Das Pferd macht Theater am Putzplatz.
Was der Reiter tut: Forsch gucken, forsch fuchteln, Brüll loslassen und das wars.
Was der Reiter denkt: „Du garstiges Mistvieh, kannst du dich nicht EINMAL normal aufführen? Du kennst diesen Putzplatz, du stehst jeden Tag hier, aber nö! Warum haben alle normale Pferde, nur ich nicht?“

Situation 3)
Die Reitlehrerin faltet den Reiter zusammen.
Was der Reiter tut: Weiterreiten. Eventuell mit gefletschten Zähnen.
Was der Reiter denkt: „Ich buddle mir ein Erdloch und steige hinein. Oder ich schreie nach meiner Mama. Auch wenn ich schon 40 bin! Warum ist die Frau nur so böse zu mir?“

Situation 4)
Der Reitlehrer erklärt etwas.
Was der Reiter tut: Nicken.
Was der Reiter denkt: Ö,ö,ö,ö la palöma blanca …
Was der Reitlehrer denkt: „Mein Gott, die ist zu blöd das zu verstehen …“

Situation 5)
Das Pferd kann nicht stillstehen beim Schmied.
Was der Reiter tut: Sich entschuldigen. Unentwegt.
Was der Reiter denkt: „Oh, Gott, oh, Gott … oh GOTT! Ich brauche einen Guru, einen Pferdetrainer, ich muss auf seinen Hufen herumdrücken, damit der das endlich lernt.“
Was der Reiter anschließend tut: Nix. Bis der Schmied das nächste Mal kommt.

Situation 6)
Das Pferd ist gerade beim Freispringen.
Was der Reiter tut: Nix. Zugucken.
Was der Reter denkt: „Gleich bricht er sich die Haxen. Oder das Genick. Ich muss den stoppen. Aber wie? Ich weiß es nicht. Hilfe! Hallo? Hört mich irgendwer?“

Situation 7)
Das Pferd lässt sich nicht trensen.
Was der Reiter tut: Mit stoischer Haltung weitermachen. Geduld suggerieren.
Was der Reiter denkt: „Ich bring dich gleich um! Ich esse dich auch höchstpersönlich!“

Foto: Langhalsgiraffe.