Was hat das Internet nur mit uns Pferdeleuten gemacht. Ich bin ja so ein Internetnutzer der ziemlich ersten Stunde. Damals, als man noch mit 56k Modem und AOL CDs herumgurken musste. Natürlich war ich auch da schon Reiter. Allerdings sind DIE mir im Internet so gar nicht aufgefallen, da ich noch ein anderes, zu dem Zeitpunkt sehr ungewöhnliches Hobby hatte, war ich mehr in diese Richtung unterwegs und ließ die Reiter zunächst links liegen. Das änderte sich dann irgendwann, als ich beruflich aufsattelte und mich dazu genötigt fühlte, mich auszutauschen.

Erst da hat sich mir erschlossen, was es für eine Vielfalt in der Reiterei gibt und was für bescheuerte Gestalten sich Lehrer nennen dürfen. Wie der Zufall es nämlich so wollte, war die erste Person, mit der ich aneinander geriet, eine Nevzorov Jüngerin, die ständig ihre eigenen Sektenregeln brach, indem sie mit mir bösem Rennreiter sprach … obwohl man das nicht sprechen konnte. Sie versuchte mich zu belehren und als das nichts half, ging sie auf Beschimpfungen über.
Eigentlich gut, dass ich ausgerechnet auf die Irre traf, denn das sagte mir schon mal gleich: Es gibt auch verdammt viele Spinner im Internet.

Aber trotzdem kann man sich nicht erwehren. Hier ein Artikel über korrektes Reiten, da ein Artikel darüber, dass Baumsättel böse sind und Baumlossättel das Nonplusultra Hier ein Artikel darüber, was man alles nicht füttern soll und hier einer, der sagt, dass man all das, was man aus dem anderen Artikel nicht füttern soll, doch füttern soll. Und außerdem muss man noch zweihundert Pülverchen haben. Das verunsichert den Reiter. Egal wie alt er ist. Denn hinter jeder These lauert ein militanter Reiter, der sie in die Welt hinausschreit. Meist ist er nicht allein. Irgendwer kreischt eben dann doch mit – und so hat man plötzlich einen pöbelnden Mob vor sich, der einem ans Leder will, weil man Eisen am Pferd hat. Oder eine stinknormale Trense benutzt. Oder zu laut atmet. Was weiß denn ich? Das Prinzip jedoch hab ich verstanden: Irgendwer ist immer dagegen.

Und manchmal, da sind die Artikel, Influencer und so doch auch echt toll. Dann sieht das so super aus. Man hat Schwierigkeiten beim longieren seines Pferdes? Ha, aber guck mal das Video zur Longierhilfe. Da klappt das plötzlich mit. Soll man das dann kaufen?
Oder hier: irgendwelche Balancepads. Brauche ich das nicht auch? Schließlich hat mein Pferd ständig seine Schwierigkeiten beim Thema Balance. Oder vielleicht sollte ich auch auf gebisslos umsteigen? Sieht man ja die tollsten Bilder.
Vielleicht auch ein Reitpad? Das schult den Sitz und macht den Rücken nicht so kaputt. Schließlich sind Sattler ja auch nur Verkäufer und verkaufen so oft richtige Scheiße.

Der Reiter ist also ständig unter Dauerbeschuss von seinen Mitreitern. Er sollte ständig danach streben, sich zu verbessern. Was erst mal in sich richtig ist. Leider muss er ja jeden Tag nach was ganz NEUEM streben, weil er ständig was Neues vor die Nase gehauen bekommt. Und das sieht auf den ersten Blick meist dann besser aus, als bei einem selber. Schließlich suchen die nur die guten Fotos raus. Ein neues Heilmittel ist da – arbeite doch endlich mit diesem Produkt. Oder diesem Pülverchen. Sofern du denn auch endlich gut reiten willst, damit dein Pferd gesund bleibt.

Manchmal wünscht man sich da schon in die Zeit ohne Internet zurück. Wo man zum Fachmann gehen musste, um etwas zu lernen. Und neue Erkenntnisse beim Tierarzt bekam, der Fachzeitrschriften las und sich fortbildete. Wo ein Buch nicht von jedem in die Welt gerotzt werden konnte, um uns seine Erkenntnisse zu präsentieren, die vielleicht überhaupt nichts mit unserer eigenen Reiterei zu tun haben.
Manchmal ist der Zugang zu so vielen Informationen (die oft ja den Grund haben, dass man etwas verkaufen möchte), ganz schön anstrengend. Deswegen: Ab und zu mal weggucken. Nicht bei seinem Pferd, sondern im Internet. Oder sich genauer informieren. Dann stellt man fest, dass Baumlossättel trotzdem nicht passen können, dass Longierhilfen echt blöde sind, dass Hufeisen doch auch ihren Sinn haben können und nicht alle Pülverchen ins Pferd müssen.

Foto: In the Ghetto! Wenn die Hecke mal wächst, ist auch das Graffiti weg. Leider wächst die nicht.
[wpedon id=“2098″]