Interviewer: „Heute begrüßen wir zu unserer großen Interview-Reihe einen besonderen Charakter, die Irre! Herzlich willkommen, schön, dass Sie Zeit gefunden haben, uns zu besuchen.“

Die Irre: „Entschuldigung, wie war die Frage?“

Interviewer: „Ich habe noch gar keine gestellt. Sie wirken ein wenig nervös, das müssen Sie aber gar nicht sein. Entspannen Sie sich doch.“

Die Irre: „Wissen Sie eigentlich wie viele Pferde, statistisch gesehen, von bösartigen Menschen in einen Hinterhof gelockt werden, vornehmlich zu einem Interview und dann zerstückelt werden? Da gibt’s ne Dunkelziffer. Die ist riiiiiiesig.“

Interviewer: „Sicher … ähm … Wie war das so in Ihrer aktiven Rennzeit? Sie waren ja eher leidlich erfolgreich.“

Die Irre: „Ich war platziert. In Baden-Baden. Stellen Sie bitte eine andere Frage, das finde ich unverschämt.“

Interviewer: „Mochten Sie Ihre Arbeit denn?“

Die Irre: „Ach, Gott … ja. Mögen Sie Erbsen und Möhrchen?“

Interviewer: „Nein, wieso?“

Die Irre: „Nur so.“

Interviewer: „Wie ist das denn so im Rennstall, wie müssen wir uns das vorstellen?“

Die Irre: „Unheimlich. Morgens werfen dich laute Menschen mit einem pferdefressenden Wagen aus dem Bett, zu absolut unchristlichen Uhrzeiten. Dann schmeißen sie dir was in den Trog, von dem man ja auch nie weiß, ob es vergiftet ist. Das muss man sehr kritisch betrachten, denn es macht ein Geräusch, wenn es eingefüllt wird. Es könnte eine Bombe, oder Futter sein. Dann kommen sie mit riesigen Gabeln vorbei, wahrscheinlich weil sie Pferde essen und die Gabeln die richtige Größe haben. Sie sind furchteinflößend! Noch später kommt ein kleiner Mann oder eine kleine Frau zu deiner Box und nimmt dich mit in diese unheimliche Welt. Da gibt es Bäume! Und Eichhörnchen. Haben Sie schon mal Eichhörnchen gesehen? Furchtbare Tiere. Übertragen die Pest und all solche Sachen. Ich hasse Eichhörnchen! Und dann auf der Bahn … da sind ANDERE Pferde. Die paktieren sicher mit den Menschen und den Gabeln. Ich hasse andere Pferde. Ich fürchte mich aber auch, wenn gar keine Pferde mehr da sind.“

Interviewer: „Das klingt ja nach sehr schwerwiegenden Problemen. Und wie haben Sie den Job trotzdem machen können?“

Die Irre: „Augen zu und durch.“

Interviewer: „Woher kennen Sie denn Frau Arschlochpferd?“

Die Irre: „Keine Ahnung. Die war schon immer da, als ich kam. Aber die kam nur morgens mit den gruseligen Gabeln in meine Box. Bis eine der Arbeitsreiterinnen einen hysterischen Anfall bekommen hat und sich geweigert hat, mich weiter zu reiten. Ich kann es ihr nicht verübeln, ich habe das Eichhörnchen nämlich auch gesehen.“

Interviewer: „Und dann?“
Die Irre: „Na, dann war sie halt dran. Irgendwer muss ja. Die war nur leider nicht so leicht zu beeindrucken wie die andere. Hat sehr unfaire Dinge gemacht, wenn ich ihr höchste Panik signalisierte. Sehen Sie, es ist ja nicht so, als hätte ich vor allem Angst. Ich überlege mir nur, ob ich Angst haben könnte. Falls der Reiter oben drauf mir sagt: Es ist okay Angst zu haben, dann mache ich das auch. Und zwar ohne Rücksicht. Ich bin irre, ich darf das. Verraten Sie das aber bloß nicht weiter, meine Kinder haben das auch geerbt.“

Interviewer: „Und das hat dann nicht mehr geklappt?“

Die Irre: „Fast. Losgeworden bin ich sie zwar nicht, aber ich bin immerhin zusammen mit ihr gefallen. Danach war sie bockig und wollte auch erst mal nicht mehr. Jedenfalls kam sie ein paar Tage nicht mehr zu mir.“

Interviewer: „Ich hörte, sie hatte eine ziemlich fiese Rückenprellung.“

Die Irre: „Also hören Sie mal, was ist denn das für eine lasche Ausrede? Ich hatte eine ganz fiese Schramme davon, die Narbe sieht man heute noch. Da war ich trotzdem am nächsten Tag wieder ganz normal auf der Arbeit. Wir sind ja nicht zum Spaß da.“

Interviewer: „Hat es danach denn wieder geklappt?“

Die Irre: „Natürlich. Ich bin Profi. Was war das?“

Interviewer: „Was?“

Die Irre: „Na … das? Ist das ein Eichhörnchen?“

Interviewer: „Ich versichere, dass wir vorher alle Eichhörnchen vom Gelände haben entfernen lassen.“

Die Irre: „Lügen Sie mich nicht an! Ich weiß, wie Eichhörnchen aussehen. Die haben ein Geweih!“

Interviewer: „Äh … ja. Gibt es denn noch etwas, das sie unseren Lesern mitteilen möchten?“

Die Irre: „Ja! Haltet euch von Eichhörnchen fern. Sie rascheln im Untergrund, pflanzen überall ihre vergifteten Nüsse und lauern Pferden auf, um ihnen im Schlaf die Sehnen durchzunagen und in ihrem Kopf Eier zu legen. Ich sag’s euch, keine Eichhörnchen!“

Interviewer: „Ich bedanke mich herzlich für dieses Aufschlussreiche Interview … habe aber noch eine letzte Frage. Haben Sie sich mal überlegt, ob eine Therapie irgendwie sinnvoll wäre?“

Die Irre: „Wieso?“

Foto: Nicht die Irre. Und er mag Eichhörnchen