Die Vertrauensdiskussion unter Reitern ist anstrengend. Kein Wunder, alles wird mit: “Ja, dann hat dein Pferd kein Vertrauen zu dir, da musst du an der Basis arbeiten” abgetan. Vertrauen ist aber nicht Kadavergehorsam. Das Pferd zieht mal den Kopf weg beim Trensen? Dann hat es kein Vertrauen. Dein Pferd scheut, weil jemand an der Bande rappelt? Kein Vertrauen. Dein Pferd will nicht über die Straßenmarkierung gehen, die es heute gruselig findet? Du ahnst es schon: Kein VERTRAUEN! Muss man am besten groß schreiben. Kein Wunder, dass Kurse oder Unterrichtseinheiten dieses Wort andauernd groß schreiben und man besonders viel Lob auf Social Media bekommt, wenn man dieses angebliche Vertrauen thematisiert, diese ach so tolle Bindung ist soooo wichtig, dass gutes Reiten oder einfach normales Reiten total langweilig geworden ist. Hauptsache der Gaul vertraut.

Ich finde diese ganze Diskussion immer so sinnlos. Ein Pferd vertraut darauf, dass du es fütterst (sicher sind sie sich aber nicht immer, weshalb sich viele Exemplare durchaus bemerkbar machen, wenn Fütterungszeit ist, obwohl sie noch nie vergessen wurden). Es vertraut dir auch in so fern, dass du ihm nicht wehtust. Es vertraut darauf, dass du es unterhältst und die Sachen, die du mit ihm machst, nett sind und ihm vielleicht auch mal Freude bereiten. Sonst würde es nicht mit dir mitgehen (wenn es nicht mit dir mitgeht, sagt das aber auch nicht zwingend etwas über mangelndes Vertrauen aus). Ansonsten hat es diesen komplexen Vertrauensgedanken einfach gar nicht. Wenn ein fremder Hund bellend auf das Pferd zuläuft, vor allem, wenn es auf der Weide steht, dann denkt es nicht: Ah, Frauchen beschützt mich, Frauchen wird das richten, ich vertraue Frauchen. Nö, es denkt: Geh weg, du blöder Hund! Oder: Hilfe, du machst mir Angst. Ich hau ab.

Gewiss muss ein Pferd einen Reiter kennen. Und wenn wir es schon Vertrauen nennen wollen (ich nenne es eher Gewöhnung und Erziehung), dann muss davon auch etwas vorhanden sein, damit es sich auf ihn einlässt. Manche brauchen dafür länger, andere nicht, denen ist das wurscht. Die sagen: Ich kenne Menschen, was machen die schon groß Schlimmes? (Okay und es gibt auch noch die Kategorie: Ich kenne Menschen – die sind alle blöd!). Aber das heißt ja nicht, dass es beim Reiten oder im Umgang nur noch stumpf dem Menschen zugewandt ist und seine Umgebung nicht mehr wahrnimmt? Es ist ein lebendiges Wesen. Das natürlich auch mich achten soll (was mehr eine Erziehungsfrage als eine Vertrauensfrage ist), aber eben trotzdem auch äußeren Reizen ausgesetzt ist. Und wenn es sich mal gruselt, weil da hinten irgendwo ein Kaninchen raschelt – ja, Mensch, dann ist das halt so.

Da muss ich nicht sämtliches Vertrauen und die Liebe zwischen uns hinterfragen. Er hat geguckt, ist vielleicht mal gehüpft und dann ist es auch gut. Da muss ich jetzt kein Vertrauenstraining fahren. Übrigens sind generell schreckhaftere Pferde mit schwächerem Nervenkostüm jetzt auch keine Kandidaten für “absolut gar kein Vertrauen”. Es liegt an ihrem Naturell. Nicht an diesem mangelnden Zauberwort. Dagegen kann man anarbeiten. Mit Schrecktrainind und Desensibilisierung. Aber nicht mit Kreisspielen und Vertrauensfragen. Ein Pferd geht nicht irgendwo mit dir hin, weil es dir so sehr vertraut. Sondern, weil du es gut vorbereitet und trainiert hast. Oder, weil es sich einfach nicht an so vielen Dingen stört, wie man ihm immer unterstellt. Und was machen diese ganzen Vertrauens-Elsen eigentlich, wenn sie erfahren, dass so ein Pferd auch noch einen eigenen Kopf hat?