Habt ihr euch einmal damit beschäftigt, was passiert, wenn euer Pferd nicht mehr ist? Gut, eigentlich möchte man sich damit gar nicht befassen und im schönen hier und jetzt leben, wo das Pferd noch da ist und man zusammen das Leben genießen kann. Warum also daran denken? Aber trotzdem: Es wird irgendwann passieren. Wir Reiter wissen schließlich, dass es nur ein Lebensabschnitt unseres Lebens sein wird, den uns das Pferd begleitet.
Das ist nicht schön. Und man macht natürlich “Pläne” für das, was zum Schluss kommt. Soll es eingeschläfert werden, oder einen Bolzenschuss bekommen? Wie transportiere ich es ab?
Und jetzt sagt nicht: Wieso denkst du an so was?
Ist der Tod eines Pferdes so ein Tabu-Thema? Spätestens wenn er eintritt, ist man nämlich ganz hilflos, wenn man wirklich niemals darüber nachgedacht hat. Wer transportiert das Pferd in die Verwertung? Wie schnell kann der kommen? Usw. und so fort. Wer einmal ein Pferd länger liegen hatte, weil die einfach keinen Bock oder keine Zeit hatten, es abzuholen, der weiß, wie schlimm das ist. So ein Pferd stirbt nun mal nicht zu einem passenden Termin.
Wie wird es einem dann gehen? Ist man erleichtert, weil das Pferd lange krank war? Ist man zerrissen? Was kommt danach? Und die Frage ist am schwierigsten zu beantworten. Manche einer räumt sofort sein Spind leer und kehrt dem Stall erst mal den Rücken. Für eine lange Zeit. Um mit sich und seiner Trauer fertigzuwerden.
Ich könnte das nicht. Vielleicht, weil ich knallhart auch früher schon vor vollendete Tatsachen gestellt war. Wenn man in den Stall kommt und da einfach die Box leer ist und jemand im Vorbeigehen sagt: “Ach, dein Pflegepferd? Das haben die gestern abend eingeschläfert.”
Gruselig oder? Würde ich auch niemals mit meiner Reitbeteiligung abziehen. Aber es hat zumindest geholfen, dabei zu bleiben. Trotzdem in den Stall zu gehen und wieder andere Pferde kennenzulernen. Die man auch wieder liebgewinnen kann. Ich verstehe aber, dass das nicht jeder kann. So wie nicht jeder das Grab eines geliebten Verstorbenen besuchen möchte, kommen manche auch eine ganze Weile nicht mehr in den Stall. Andere sind sofort unterwegs, lenken sich ab, reiten gleich drei Pferde auf einmal. Trauer wegreiten – auch das ist völlig okay. Manche verscherbeln ihre ganzen Sachen, oder schließen sie im Keller ein. Meist eine überstürzte Reaktion, die sie nachher bereuen – aber hören möchte man das in dem Moment einfach nicht. Ist völlig okay.
Wirklich unangenehm wird es, wenn sich dann andere einmischen. Wenn sie einem sagen, was ihrer Meinung nach zu tun ist. Nicht mal in seiner Trauer darf der Reiter auf gute Ratschläge verzichten. Es gibt also zwei Extreme: Möchte man sich nun erst mal kein Pferd zulegen, bekommt man plötzlich zu hören: “Aber du reitest doch so gerne – möchtest du nicht mal hier gucken? Meine Stallbesitzerin hat so ein nettes Pferd. Das Leben muss ja auch weitergehen.”
Oder eben: “Was? Du kaufst dir ein neues Pferd? Deins ist doch erst zwei Monate tot! Schon vergessen? Du herzloses Subjekt!”
Jetzt mal im ernst: Vorher will keiner darüber reden, aber wenn dann der Reiter seinen weg gehen will, DANN möchten alle darüber reden? Das ist doch geisteskrank.
Ich zum Beispiel, ich glaube, ich würde mir sehr schnell ein neues Pferd holen. Um mich abzulenken. Ich bin so ein Typ, der dann weitermachen muss. Sonst hört er auf. Und ich möchte eigentlich nicht aufhören. Ich glaube auch nicht, dass Mozart mir das persönlich übel nehmen würde – er wäre dann ja tot. Und Tote Pferde haben ganz sicher anderes zu tun, als darauf zu schauen, ob Frauchen ein neues Pferd in die Box stellt und wieder glücklich wird. Das ist jedenfalls meine feste Überzeugung.
Foto: Hat jetzt schon Besseres zu tun, als zu gucken, was ich mache.