Jeder Pferdebesitzer kennt und hasst diesen Moment. Und zwar den, wo das Pferd sich entscheidet: Weißt du, du hast jetzt Funkstille, ich beachte dich jetzt nicht weiter, dafür ALLES andere und JEDEN anderen. Vor allem wird diese Situation natürlich richtig unangenehm, wenn man mit dem Pferd am Boden arbeitet, oder es gerade schlichtweg nur irgendwohin führt.
Denn Reiter haben keinen Bock ignoriert zu werden. Das hat natürlich auch seine Gründe. Wir wollen weder umgerempelt werden, noch wie ein Fähnchen im Wind am Gaul hängen. Schließlich gehen wir ja auch achtsam mit dem Pferd um, da könnte es uns doch dieselbe Referenz erweisen. Oder?

Nö. Pferde sehen das ganz und gar nicht so. Und das ist ja auch kein Wunder, ich sage ja gebetsmühlenartig, dass die nicht dankbar sein können, weil das Prinzip in ihrem zudem recht begrenzten Wortschatz nicht vorkommt und natürlich kommt Beachtung auch nicht immer darin vor. Vor allem dann nicht, wenn das Pferd abgelenkt wird und einen schlichtweg vergisst.
Das kann viele Gründe haben. Hormone, Pferde, die es nicht mag, Pferde, die es mag und die zu weit weg sind, etwas das Angst macht, etwas das lecker ist, etwas das unheimlich ist, etwas das interessant ist – die Liste ist lang.

Mein Pferd macht das vor allem, wenn er irgendwo fremd ist. Und er macht das laut. Denn wenn man neu ist, muss man sich brüllend vorstellen. Woher ich wusste, dass ich in meinem Stall richtig bin? Da hat er aufgehört zu brüllen. Glaube immer noch, dass die Schreierei seine Stimmbänder nachdrücklich angegriffen hat, denn er wiehert auch heute noch sehr heiser. Unseren ersten Encounter zum Thema: Ich ignoriere dich nicht, also hör auf MICH zu ignorieren – hatten wir ziemlich am Anfang, als das Pferd nach hinten glotzte, vorwärts sprang und zwar mir direkt auf den Fuß. Das kann ich ja leiden wie Krätze. Also ein Schrei, ein Fluch, ein: „Wenn du jetzt nicht sofort deinen Fuß von meinem runternimmst, dann binde ich dich an den nächsten LKW nach Polen!“ – Huch! Die meint ja mich! Kann ja keiner ahnen.

Warum ist uns Reitern das eigentlich so unangenehm? Ich meine, wir lachen, wenn die buckeln, solange sie nur niedrig steigen, werden wir gar nicht viel tun, wenn der Sprung verweigert wurde, sind sowieso meistens wir schuld und wenn wir keinen Knieschluss haben, liegen wir eben unten. Aber der absolute Verlust der Kontrolle, den gibt es nur bei Durchgängern, oder eben in den ignoranten Momenten. Weil wir da merken: Wir haben eigentlich nur das Sagen, solange das Pferd uns lässt. Wenn es schlichtweg vergisst, dass wir da sind, oder aber findet: DU kannst dich jetzt um diese Situation, in der ich jetzt bin, nicht adäquat kümmern – dann haben wir ein Problem. Und wir können eigentlich froh sein, dass es so einfach ist Kontrolle zurückzuerlangen, denn manche Pferde muss man ja nur mal am Halfter anfassen, oder mit einem dezenten: „EY!“, bedenken und dann fällt denen ein: „Huch, da war ja noch wer!“. Und das war’s schon.

Wenn nicht – dann haben wir verloren. Und Reiter verlieren extrem ungern, von daher ist das keine Option. Nicht, weil wir so schrecklich dominante Menschen sind, die meinen: Das Pferd muss Untertan sein – ne, wir behalten nur gerne Füße, Beine, Arme und stehen auch sonst auf körperliche Unversehrtheit. Sonst können wir ja wieder nichts mit dem Pferd machen. Geistige Unversehrtheit sucht man bei Reitern eh vergebens, an der Waffel haben die alle einen. Und nicht zu knapp. Zum Glück, will man fast sagen. Denn die bekloppten Reiter können sich komischerweise zu 99% Gehör verschaffen. Auf ganz unterschiedliche Arten. Mit Ablenkung. Mit Bestechung. Mit einer zackigen Ansage – die Liste ist lang. Und bei den 1%? Lächeln, beten und hoffen, dass der Gaul nicht auf die Bundesstraße rennt. Und dabei vorher möglichst nicht über einen drübertrampelt.

Foto: War da auch äußerst ignorant. Fremder Platz und so.