… liebt man immer ein bisschen zurück. Das ist übrigens ein Zitat aus einem meiner Bücher. Genauer gesagt aus War Chant. Heute muss ich das mal auf die Pferdewelt übertragen. Vielleicht kennen das Phänomen eher Berufsreiter, die pragmatisch an Pferde herangehen, aber es kennen auch genug Einsteller. Das Phänomen, ein Pferd zu mögen, das man eigentlich doof fand. Denn manchmal, also da stimmt die Chemie nicht. Man fühlt sich unwohl auf diesem Pferd, das man da gerade zum ersten Mal reitet, ja, es bemüht sich auch noch einem alles so unwohl wie möglich zu gestalten, oder aber – es tut das Gegenteil und es macht trotzdem weder Spaß noch Freude … mehr so ein: „Oh, Gott, nie wieder! Mama, hol mich ab!“ – „Du bist 32! Hol dich selber ab!“ – „EGAL! MAMAAA! HOL MICH AB!“

Ähm … so. Als Berufsreiter hat man das Problem, dass man nicht wählerisch sein darf. Aufmerksame Galoppertrainer finden auch ganz schnell heraus, wenn du auf der Lottafel Pferdenamen zu anderen Reitern verschiebst und dann meckern die. Böse … sehr böse. Aber auch im Reitstall kann man ja nicht jedes Mal bei der Schulstunde heulen und mit den Füßen aufrappeln, nur weil Pferd Horst einem nicht so zusagt wie Pferd Greta, die irgendwie vieeeel mehr Spaß macht. Da stimmt die Chemie. Mit Horst nicht. Der macht zwar nichts Schlimmes, aber man fühlt sich mit dem einfach mies.
Witzigerweise sieht Pferd Horst das oft ganz anders. Manche Pferde picken sich dich heraus. Und dann bist du der Seelenmensch. Okay, sagen wir, dass Pferde Seelenmenschen auch so dämlich finden, wie ich Seelenpferde, sagen wir: Es ist der eine Mensch. Die picken sich also diesen Menschen heraus, den sie von allen am Liebsten haben. Jeder sieht das. Nur der Mensch nicht, der Horst eigentlich ja nicht mag.

Irgendwann fällt ihm das aber auf. So zwischen Tür und Angel … dass der Horst immer total aufmerksam ist, wenn man kommt und dass er immer ganz gut achtgibt und ja eigentlich auch ganz lieb brummelt. Hm … jetzt ist guter Rat teuer. Der sonst so fiese Horst ist nämlich ganz furchtbar verliebt in sein Reiterlein.
Entweder dem Reiter dämmert das irgendwann – oder es steckt ihm jemand. Blöd. Da steht er also nun: der Horst guckt treudoof seinen Lieblingsmenschen an und man selber denkt sich: Aber eigentlich mag ich den überhaupt nicht. Wie der schon geht. Oder guckt. Und dieses blöde Gezicke jedes Mal, wenn man mit dem ein Pferd überholen will …. nääääh! Das macht keinen Spaß.

Aber so einem glotzäugigen, treudoofen Pferd kann man jetzt auch nicht sagen: Nimm deine Zuneigung und hau ab. Also entwickelt man ja doch irgendwie plötzlich Sympathien. Weil man den ja auch nicht enttäuschen will. Das geht irgendwann entweder so weit, dass man das heimlich macht: „Ne … ach, der Horst … ach ja … ganz okay … HAST DU GRAD SCHLECHT ÜBER HORST GEREDET? ICH MACH DICH FERTIG!“ und dann ständig dabei erwischt wird, oder ganz offen dazu steht. Das pferdische Stockholmsyndrom (wenn man beide nur oft genug in dieselbe Box sperrt, lieben sie sich!) ist jedenfalls nicht einfach zu beschreiben und auch nicht einfach wieder abzuschütteln. Da entwickeln sich manchmal lebenslange Freundschaften draus. Nicht mit Seelenpferd Scheiße … Nene, die Pferde, die ihre Sympathie dir zuerst schenken, das sind mehr so Herzterroristen, aber ganz sicher keine sensiblen Seelenpferde.

Ich hatte auch einen Horst. Gut, der hieß nicht Horst, aber der blöde Kerl hat sich ausgerechnet mich ausgesucht. Und zwar so vehement, dass ein Fremder die Box nicht betreten durfte, wenn ich drin war. Das klingt niedlich nach Fury, ist aber allenfalls der Dennis aus Hürth. So vom Niveau her. Und dann sagt der Trainer ständig noch: „Ach Gott, wie liiiiiieb.“ Als wär der so eine Baumschmuserin aus der lokalen Schamanengruppe.
Und ständig erzählte der den Besitzern: „Mensch, der hat die Frau Arschlochpferd soooooo lieb, die müsst ihr mal sehen!“ Nein, danke! Das will niemand sehen, wie der Idiot neben mir steht und mir die Haare leckt. Wenn man ihn lässt auch mal eben ne halbe Stunde …
Aber ja … der bringt dann trotzdem auch ein eiskaltes Arbeitsreiterherz zum schmelzen. Ja, man fühlt sich sogar geschmeichelt. Der Gaul hat schließlich Geschmack. Da kann man ja doch ein bisschen zurücklieben. Nur so ein klitzekleines Bisschen natürlich

Foto: Diese Matte wird fallen! Stehmähne ist wieder angesagt!