Vor allem Guru Reitweisen haben es ja vielen Leuten angetan. Die Parelli Jünger haben nur einen Gott, die Monty Anhänger sind Götzendiener und die vom Herrn Rai machen auch komische Sachen. Selbst bei den krudesten Reitweisen, Reitlehren, Guruhipstervereinigungen usw. kann man sich ja wirklich was mitnehmen. Und es gibt natürlich immer auch jemandem dem das hilft, was der oder diejenige da lehrt. Anfummeln, Stöckchen wedeln – auf irgendetwas reagiert das Pferd halt besser als auf andere Sachen.
Das ist gut und schön. Schöner wäre natürlich, wenn man überprüfen würde, ob das auch nach einer ganz anderen Methode hätte gelöst werden können. Tut man aber scheinbar nicht. Anders kann ich mir manche Gespräche nicht erklären.
„Seit ich nach Parelli arbeite, geht das Pferd endlich rückwärts. Das war ja so schlimm, als er das noch nicht gemacht hat.“
Und hätte es nicht anders auch beigebracht werden können? Alle Pferde, denen ich rückwärtsrichten beigebracht habe, haben das nicht über Parelli gelernt. Hat er ja schließlich nicht gepachtet.
Aber sobald was klappt, dann sind die Anhänger halt auch schnell überzeugt. Da kann der Rest der Reitweise noch so seltsam sein. Denn: Sind wir doch mal ehrlich: Im Worst Case macht das Pferd dicht, oder rebelliert – im Best Case geht es rückwärts. All die Graustufen hängen dazwischen. Und dann ist am Ende eben Parelli entweder Jesus, oder der Teufel in Person. Das kann man auch auf jeden anderen Trend ausweiten, der die Reiterei so erreicht. Mickelm ja genau dasselbe. Entweder Pferd, das sich verwirft und nun erst recht sperrt – oder zufriedenes Pferd.
Uns begegnen meistens die Extreme. Weil das einfach ist. Ist der Reiter mit etwas zufrieden, teilt er das mit. Allerdings nur in einer Streitdiskussion, wo es gegen etwas geht, hinter dem er dann steht. Finden also drei Leute das Micklem total blöd, kommt unser Reiterlein daher und verteidigt es, weil das so super geholfen hat, bei ihrer nervösen Stute. Worst Case/ Best Case eben.
Findet jemand etwas scheiße, erzählt er schneller davon. Auch, weil er andere davor warnen will, wenn eben der Worst Case eingetreten ist. Der kann halt heute so und morgen so ausfallen. So ein Pferd ist ja auch mal schlecht gelaunt und mäkelig, dann nimmt es das Gebiss weniger gut an (auch weil der Reiter ja nicht permanent gleich sensibel ist) und morgen klappt es toll – oder es hätte geklappt, wenn man es noch mal getestet hätte.
Tja … aber was mach ich denn nun mit meinem Pferd? Denn wenn ich jetzt weiß, dass es Worst Case/ Best Case Szenarien gibt, wie soll ich nun künftig auf solche Gurusachen reagieren, die bei mir ja immer Argwohn auslösen? Denn manche Dinge können ja schließlich auch das Best Case Szenario auslösen. Doof, was? Muss man immer noch sein Gehirn benutzen, um zu erkennen, wann die „ausgefallenen“ Lehren wieder mal Synapsenklappern bei Pferd und Reiter verursachen, oder, wann man sich etwas wirklich Sinnvolles mitnehmen kann, um die größtmögliche Spanne an Best Case Szenarien zu haben.
Und wir sollten auch nicht zögern, Sachen zu entfernen, wenn sie nur den Worst Case auslösen. Das braucht doch keiner. Ja, auch wenn wir nach Reitlehre XYZ reiten, dann müssen wir doch trotzdem nicht alles nach Reitlehre XYZ auch machen. Eigentlich müssen wir sogar nur eine Sache machen: Gehirn einschalten. Das hilft ungemein. Denn mit eingeschaltetem Gehirn versteht man sein Pferd besser, erkennt idiotische und sinnvolle Lehren gleichermaßen und außerdem macht es noch, dass es zwischen den Ohren nicht zieht. Ist doch eigentlich recht hilfreich.
Foto: Könnte evtl. sein Gehirn auch ausgeschaltet haben. Eventuell aber nur.
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