Wir Reiter wissen ganz genau, dass Wut, Zorn, schlechte Laune, oder andere negative Gefühle, keinen Platz im Sattel haben. Trotzdem sind wir ja auch keine Roboter, die uns abschalten können und fröhlich grinsend und Schmetterlinge pupsend über die Rosenwiese hüpfen, nur um dann unser Pferd elfengleich zu bewegen. Mit Schwung, Takt, Losgelassenheit und all dem Kläderädätsch der Ausbildungsskala, die uns hoffentlich nach Valhalla führt, damit wir mit den anderen Reitern Schibbi-Schabbis tauschen, Eksiii-Kollis entwerfen und das Blut unserer Feinde trinken können.

Huch, kurz abgeschweift. Also! Man soll nicht wütend in den Stall. Oder gestresst. Oder genervt. Na, da dürfte ich aber manche Wochen gar nicht in den Stall, wenn wieder der Irrsinn bei mir in der Firma tobt und ich mit niemandem mehr sprechen möchte, weil derjenige dann zu unrecht beschimpft wird. So ungefähr ist dann auch meine Laune, wenn ich am Stall ankomme. Aber da ich mein Pferd ja nicht eine Woche am Stück stehen lassen kann, nur weil Land Unter auf der Arbeit herrscht und ich kaum zum atmen komme.

Ist aber eigentlich besser. So ein Pferd spiegelt das Verhalten vollkommen – oder ist manchmal dann auch schlecht gelaunt, obwohl man selbst super Laune hatte – bis die einem vom Pferd verdorben wird, das heute Nacht irgendwie den falschen Strohhalm gefressen hat. Oder einen laut schnarchenden Nachbarn hatte. Irgendwas ist ja immer.
Was macht man da? Man zickt sich an. Dem Pferd passt das Geputze nicht, dem Reiter das Gehampel nicht, am Ende zerren beide gegen den Strick und keiner ist zufrieden. Okay, der Todesstern vielleicht. Aber die steht auf so nen Scheiß.

Dann kommt man auf die Idee: Man könnte ja was total Einfaches machen, damit das Pferd beschäftigt ist und man selber auch etwas runterfahren kann. Ein bisschen Bodenarbeit vielleicht. Nur so Kleinkram: Rückwärts richten, seitwärts gehen, irgendwie so was.
Aber an solchen Tagen ist schon gleichmäßiges Atmen nicht drin, das Pferd wird einfach alles verweigern, sich spontan taub stellen und obendrein auch noch aufmüpfig, weil es schlichtweg nicht versteht, was das HB-Männchen da will.
Okay, schön, geben wir das auf und lassen das Pferd wenigstens einfach ein bisschen nett an der Longe gehen. Das reicht dann. Plöztlich ist das Pferd mit der Longe überfordert, rechts wird zu links und nachher sieht es aus wie Spaghetti. Pferd und Reiter eingewickelt in einem Longenbrei und niemandem ist geholfen.
Okay, okay … wir wütenden Reiter geben auf. Dann schmusen wir eben nur. Hilft sowieso meistens. Aber nicht einmal das will das Pferd plötzlich. Wahrscheinlich denkt es sich auch nur: „Alte, GET YOUR SHIT DONE! Ist doch nicht mein Bier, wenn du hier total angesickt antanzt und mich nervst.“

Und dann gibt es die Tage, wo wir total gut gelaunt pfeifend in den Stall kommen. Wir holen fröhlich unser Pferd ab, haben noch ein schönes neues Halfter und ein Leckerlie mit und dann guckt uns dieses Monster an, das wir mit unserem Pferd verwechselt haben. Da ist dann auch nichts mit Schmusen und Arbeiten. Denn dieses Monster möchte heute nicht umgestimmt werden. Das hat schlecht geschlafen, der Boxennachbar hat die ganze nacht Party gemacht und wir sind die Krönung der Dreistigkeit mit unserem Sattel und den feinen Stiefelchen.

Was macht man denn da? Gemeinsam einen Termin finden, wo es beiden genehm ist? Auch blöd, ich weiß aus zuverlässiger Erfahrung, dass die meisten Pferde Analphabeten sind, Kalender nicht sonderlich gut pflegen und sich auch nie an Absprachen halten, wenn man welche getroffen hat. Kennt man doch: „Gleich Reitstunde, warte kurz am Tor.“ Pferd: „Leck mich, ich geh mich wälzen.“

Ist doch total einfach: Man lässt sich einfach vom Pferd die Laune aufpolieren. Funktioniert ganz wunderbar. Manchmal sogar nur, wenn man den Stall betritt. Heißt aber trotzdem nicht, dass man mit der Restwut auf die Idee kommen sollte, mit seinem Pferd zu arbeiten. Kann auch nach hinten losgehen.

Foto: Bollerschädel on Tour.