Ja, generell finde ich den Vorschlag super. Ein Buch lesen ist eigentlich immer gut und prinzipiell werde ich natürlich vorschlagen, dass ihr alle mindestens eins von meinen gelesen haben solltet. Nur so eben.
Jedenfalls ergeht sich der Reiter seit einiger Zeit im Bücherlesen. Natürlich bildende Bücher, nicht schnöde Unterhaltung. Denn wer was auf sich hält hat natürlich diverse Werke gelesen. Nicht so was Profanes wie: Die Richtlinien von Reiten und Fahren … Nene. Exemplarisch: „Wie man Pferde betüddelt“, „Welches Wallakleid passt zur Aura meines Pferdes?“ und: „Wie mein Pferd mich lieben lernt.“
Mit wirklichem Fachwissen haben also heutzutage viele Bücher nichts mehr zu tun.
Denn Bücher schreiben, darf ja erst Mal jeder. Und verlegen kann die auch jeder. Manchmal sogar mit Verlag. Früher hatten wir da zwei große Verlage, bei denen man Pferdefachliteratur kaufen konnte und die wurde auch auf Richtigkeit geprüft. Das war schon was Tolles – denn man musste so nicht davon ausgehen, dass im gekauften Buch nur Grütze steht und dazu noch dreihundert Mal das Wort „Galopp“ – „Gallop“ geschrieben wurde. Oder „Trap“.
Früher hatte zum Beispiel auch die Wendy noch einen Anspruch. Da konnte man auch in den Comics was über Pferde lernen. Zum Beispiel, was man mit einem webenden Pferd machen kann. Oder Bibi und Tina lehrten uns, was man bei einer Kolik tun muss. Ist doch praktisch. Habe ich mir schon als Kind gemerkt.
Heute würde ich ja so ein Kinderbuch zehn Mal überprüfen, bevor ich es an ein Kind weitergebe. Denn es propagieren ja mittlerweile allerhand Leute das Reiten mit Vertrauen, empfehlen dubiose Praktiken und Mittelchen, wo man sich denkt: Bitte – verbreite deinen Unsinn nicht auch noch. Unterhaltungsliteratur soll und kann ja jeder veröffentlichen, die tut ja keinem weh. Aber Fachliteratur? Über das richtige Longieren, die richtige Bodenarbeit, das richtige Reiten, usw? Ne, bitte … schon mit Qualitätsanspruch. Fakten, Zahlen, nackte Beweise. Die Hälfte der Schreiberlinge wissen ja gar nicht, wie man ein Fachbuch aufbaut. Muss sie ja prinzipiell auch nicht. Aber dann sollte man vielleicht nicht den Anspruch haben, auch eins zu schreiben.
Nun ja … jetzt sind sie da, lasst uns die Mistwerke ignorieren. Nein, halt! Das geht gar nicht. Denn es ist ja hip momentan alles mit einem Buch zu belegen. Ich empfehle euch künftig zu sagen: Das steht im Arschlochpferd Buch! Sobald es in einem Buch steht, muss es stimmen.
Stürzt man sich also in eine Diskussion, kommt dann so was wie: „Ich empfehle dir erst Mal das Buch „Wer doof aussieht, reitet auch doof“ zu lesen, bevor du überhaupt mit mir diskutierst.“ Während auf dem Bild ein Pferd mit Hirschhals und unpassendem Gebissloszaum geritten wird. Ne, dafür brauche ich wirklich nicht dieses Buch lesen, um mich da einzuklinken. Kein Buch der Welt kann mir belegen, dass dieser Unfug, den ich da gerade sehe, irgendwie gesund ist.
Und das Kurioseste daran ist: Den Scheiß glauben dann auch Leute. Und sagen: Och, Mensch … da kauf ich das Buch doch mal und mache das nach.
Außerdem muss man ja erst Mal mindestens 20 Bücher lesen, bevor man überhaupt etwas darf. Zum Beispiel longieren. Das geht ja nicht mehr mit Longe und Pferd und gut … Nene … Da muss man schon vorher mehrere Tage mit intensivem Studium verbringen. Bevor man überhaupt irgendwie longiert. Ich darf’s ja gar nicht sagen, aber Doppellonge habe ich zum Beispiel durchs zugucken gelernt. Weil meine Reitlehrerin es damals erlernt hat und ich halt auch da war. Das geht natürlich nicht. Ist ja voll gefährlich. Schließlich habe ich kein Buch gelesen. Und kann auch keins zitieren oder empfehlen. So aber nicht!
Bücher ersetzen seit neuestem auch den Reitlehrer. Denn wenn man einfach mit Büchernamen um sich wirft und einfach sagt: Das mache ich so, wie es da steht (nicht, dass man es vielleicht falsch verstehen könnte, und dann auch falsch macht … nein, nein, das kommt niemals vor). Und: „Ich mache ja Bodenarbeit nach Guru ABC“ und dann isses gut. Den hat man zwar nie von Nahem gesehen, aber man hat ihm Geld gegeben, indem man ein Buch von ihm gekauft hat. Das ist ja, als würde er persönlich über einen wachen und schützend die Hand über den Reiter halten. Fast wie Jesus – nur cooler, weil für Pferde.
Foto: Kann nicht lesen. Er wird nie was lernen, wenn er kein Buch lesen kann.