Kein Strick vor der Tür aufzufinden, obwohl man doch nur mal eben schnell Pferde rausbringen will? Gar kein Problem – schnell der Griff zur Nachbarbox, der Nachbar hat schließlich auch Stricke. Und Gerten. Zügel hat er auch. Und Putzzeug!
Ach, der Stall ist ein großes Leihhaus, da kann man doch problemlos mal zufassen, so unter Amigos! Fragen? Ne, das hält auf, denn man weiß doch, dass der Boxennachbar immer nur abends kommt. Und man ist ja jetzt mittags da. Das merkt der gar nicht. Ein Verbrechen ohne Opfer. Und überhaupt, dem hat man ja letztens auch erst was geliehen, als er nach einem Hufkratzer gefragt hat.
Im Stall ist das völlig normal und das habe ich SEHR schnell spitz bekommen. Nicht umsonst hatten unsere Schulpferde die hässlichsten Halfter der Welt, die garantiert niemand anders hatte – und sie auch nicht genommen hat. Die Lektion habe ich mittlerweile verinnerlicht – Gerten und andere Kleinteile, die Leute gerne ungefragt leihen, werden in knalligen Farben mit Wiedererkennungswert gekauft, damit ich nicht alle paar Wochen neue Gerten, Hufkratzer, Bürsten oder Stricke kaufen muss. Die kommen nämlich meistens weg.
Longierpeitschen leben ebenfalls gefährlich und werden nach spontaner ungefragter Entleihung gerne auf dem Boden der Halle oder des Platzes liegen gelassen. Da regnet es dann drauf, oder andere reiten drüber, niemand hebt das Ding je auf, bis es mal irgendwen stört. Da wird es dann an die Hallenbande gelehnt und Schwupp – danach gehört es allen. Falls der Besitzer die Frechheit besitzt, seine eigene Longierpeitsche nicht nur zu erkennen, sondern auch wieder mitzunehmen, wird das mit einem: Was stellt der sich so an, quittiert.
Bekommt der Strick Beine, gehört er ab dem Moment, ab dem er an der Schulpferdekoppel oder Box hängt, ebenfalls jedem. Entfernt man ihn wieder, weil man seinen Strick erkannt hat, erntet man komische Blicke.
Merke außerdem: Gerten, die auf der Hallenbande liegen, sind Freiwild und dürfen von jedem benutzt werden. Genau wie Hufkratzer auf dem Waschplatz. Da steht ein Name drauf? Ach, Namen sind Schall und Rauch … wer soll das sein? Nie gehört! Mein Boxennachbar? Quatsch … der heißt doch anders. Oder?
In den Zeiten der schwarzen Unisex Helme waren auch die leichte Beute. Was nützen denn die Anfangsbuchstaben im Helm, wenn die sowieso keiner liest? Hauptsache er passt. Ich musste bisher nie einen Helm neukaufen, weil er kaputt war … nur weil er weg war … Kurz auf den Putzplatz gelegt um das Pferd wegzubringen und Schwupp – hat Beine bekommen.
Klar, das sind alles Sachen die nicht teuer sind … umso einfacher wäre es für die unauthorisierten Entleiher den Scheiß mal selbst zu kaufen!
Verleiht man offiziell etwas (man wird gefragt und man verleiht), dann kann auch das nach hinten losgehen. Ich habe mir z.B. für mein Reitabzeichen eine weiße Schabracke geliehen, weil ich keine hatte. Für mich logisch, dass ich die gewaschen wieder zurückgebe. Andere geben die vollgehaart und schlammbesudelt wieder, behaupten am Ende noch: Das war schon so!
Verleiht man anschließend nichts mehr und achtet akribisch auf sein Zeug, ist man der Spießer.
Bin ich froh, dass unser Stall so klein ist – da sind wir kommunenmäßig – alle benutzen alles mit, solange es an der Box hängt. Hängt es am Haken in der Sattelkammer wird gefragt.
Foto: Leiht sich gerne mal die Stiefmütterchen aus den Blumenkästen. Gibt sie aber leider nie zurück.