Diese Frage beschäftigt die Reiterwelt permanent und jeder, der nicht gerade bei Heidi Klum mit um die Wette stelzt, weiß nicht so wirklich, ob das, was er seinem Pferd zumutet, auch in andererleuts Augen in Ordnung ist. Und dann gibt es ja noch die bekloppte Studie von den 10% des Körpergewichts (oder war’s noch weniger? Jedenfalls durfte danach kaum noch jemand reiten. Ich auch nicht, vergesst’s also). Bleiben wir dann alle am Boden? Oder sagen wir … da kann doch was nicht stimmen?
Teils. Manche Leute sind zu schwer für ihr Pferd (vielleicht auch nur temporär) und merken das und bleiben in der Zeit unten.
Andere halten sich für zu schwer … und bleiben auch unten, auch wenn die dringend mal an ihrer Wahrnehmung arbeiten sollten. Und andere reiten weiter, obwohl sie zu schwer sind, weil sie einen Gewichtsträger gekauft haben. Das ist grundsätzlich was Kaltes. Wenn man die dazu noch auf dasselbe Übergewicht wie das Frauchen aufpumpt, ist es fett und schwer – dann MUSS es doch endlich ein Gewichtsträger sein.

Ist es aber nicht. Was ein Pferd trägt, entscheidet zum einen seine Muskulatur und zum anderen seine Größe. Nicht aber sein Speckgehalt oder seine Rasse. Nur weil Hansi, der halbfette Haflinger eine Wuchtbrumme mit Speckhals ist, kann der nicht 170 kg durch die Weltgeschichte schleppen ohne dabei Schaden zu nehmen. Nur weil der wuchtig ist, ist er ja sonst nix. Die andere Komponente ist die Größe: Selbst der am besten bemuskelte Welsh-A trägt jetzt nicht den zwei Meter Mann mit 140 kg. Funktioniert einfach schon nicht, weil die Hilfen da teilweise nicht mehr ankommen, wo sie eigentlich hinsollten. Wie wäre es, wenn der 140 kg zwei Meter Mann einfach den Welsh fährt? Das würde schon eher gehen.

So sehe ich dann Leute, die meinen, ein Trakehner könnte keine etwas fülligere Reiterin mit 100 Kilo tragen (bei Männern sind die Reiterleins irgendwie gar nicht so kleinlich, nur Frauen dürfen nicht fett sein … ich liebe Reiter-Body-Shaming). Weil der hat ja viel Blut. Dass der super bemuskelt ist und seine Reiterin auch sonst anständig reitet … das geht trotzdem nicht. Aus Gründen … wahrscheinlich weil es irgendein Reiterauge beleidigt.
Natürlich ist ab einer gewissen Kiloanzahl Schluss. Die sollte jeder für sich kennen – denn die ist fürs Pferd auch individuell. Bei meinem und seinem eher etwas problematischem Rücken wären 85 Kilo das Maximum. Kommt von uns sowieso keiner dran, weder ich noch die Reitbeteiligung – alles fein.
Bei einem gut bemuskelten, anständig trainierten Freiberger kann die Kilogrenze natürlich anders aussehen. Schon allein, wenn der seine ersten Jahre als Reitpferd und nicht als Rennpferd verbracht hat – denn hier werden andere Muskelgruppen angesprochen.

Leider sieht man auch das andere Gegenteil: Leute, die nicht wissen, wann Schluss ist. Und die sagen immer so gerne: „Lieber 95 Kilo, die reiten können, als 45, die dem Pferd in den Rücken fallen.“ Das ist ein so beliebter Spruch, der so unendlich dumm ist (Reiter-Body-Shaming andersrum …), dass ich ihn wirklich bitte nicht mehr hören möchte. Klar ist das bei einem entsprechend bemuskelten Pferd die Wahrheit. Oft sitzen Leute, die diesen Satz runterbeten allerdings auf dem völligen Gegenteil. Auf einer dünnen Araberstute mit Senkrücken, einem altertümlichen Trakehner mit Rippenxylophon und feingliedrigen Ponys, die in Wahrheit mehr Vollblut als alles andere sind, aber von guter Bemuskelung noch meilenweit entfernt.
Da haben wir es wieder: Die Selbstreflexion des Reiters funktioniert halt einfach nicht. Er sieht weder sein Pferd anständig:
„Ist super bemuskelt“
noch sich: „Ich bin nicht zu schwer.“

Und auf manche Exemplare – da gehört gar kein Reiter drauf. Da kommt auch immer das Argument – „wieso, ich wiege doch nix“. Tja, aber selbst das „Nichts“ ist einem Pferd mit kaputtem Rücken schon manchmal zu viel. Tut es eigentlich sehr weh, einfach mal am Boden zu bleiben? Kondition kann man gratis dabei mitnehmen – und Gewichtsverlust gleich dazu, wenn man möchte. Aber ich vergaß … Lieber das Pferd ändern als sich selber. Und das macht man natürlich besser im Sattel. Nicht, dass die armen Reiterfüßchen sich abnutzen …

Foto: MLEM … Wie Sie sehen, ist die Zunge noch draußen, weil er NATÜRLICH wieder am Holz geschleckt hat.