Mein Pferd kann alles. Auch alle Launen dieser Welt innerhalb einer kurzen Reiteinheit ausleben. Am Sonntag hatte ich wieder so ein Erlebnis der dritten Art. Da muss man sich schon fragen: Muss das Pferd zum Seelenklemptner? Ich weiß es auch nicht so genau. Sonntag jedenfalls hatte ich fünf Pferde in einem. Vielleicht macht er das auch nur, damit mir nicht langweilig wird, das weiß ich natürlich nicht so genau. Oder weil er hier mitgelesen hat.
Zum Beispiel den Glotzer. der Glotzer war erst mal am Putzplatz. Denn auf dem Parkplatz vorne fuhr ein Kind mit Inlinesaktern. INLINESKATER! Das ist schlimm. Dass derzeit neben ihm ein Haus gebaut wird und ein Kran herumschwenkt … ach, drauf geschissen. Das Inlineskatermädel, das war spannend. Also wurde geglotzt. Glotzen und Trense anziehen, schließen sich übrigens aus. Kopf hoch und immer abwenden, damit man das Mädchen sieht. Und dann war auch noch der dicke Mann dabei … da kann man ja auch mal hingucken, der hat immer Leckerlie.
So. Nun aber aufhören mit dem Geglotze. Die Zicke muss her. Denn ich komme ja mit dem Sattel. Das ist wie immer unbeliebt und das Pferd schaltet in den Anti-Modus, egal wie flauschig sein ergonomischer Gurt ist. Hauptsache er kann motzen. Ich glaube, das braucht er manchmal, sonst ist er nicht glücklich. Es wird also ein bisschen gegiftet, ein bisschen herumgegangen (immer erst nach Donnerwetter, denn heute haben wir die Bremse eingebaut), und dann kommt spontan das liebste Pferd der Welt zum Vorschein, als ich zur Aufsteighilfe gehe, das Pferd parke und kommentarlos aufsteige. Wie eine eins steht er heute. Ist ja nicht selbstverständlich, die Aufsteighilfe ist nämlich doof, da kann man so wunderbar Riverdance drumherum tanzen.
Ich gehe auf den Reitplatz, der dicke Mann geht mit. Vorher müssen wir aber mal kurz auf der Baustelle halten, weil da ein Kaninchen sitzt, das verletzt zu sein scheint. Auch da sind wir noch das liebste Pferd der Welt. Wir halten brav, wir gucken das Kaninchen an, an das man leider nicht dran kommt, dann geht es zum Platz. Wo plötzlich das innere Schulpferd ausgepackt wird. Das innere Schulpferd, das schon mit dem Leben abgeschlossen hat, grundsätzlich nur von Kindern mit bolzendem Schenkel geritten wird und auch ansonsten scheintot ist, nur vergessen hat umzufallen.
Denn: Die erste Runde Trab ist noch okay. Die zweite ist fußlahm und Trüffelschwein. Gegen einen gedehnten Hals habe ich ja nichts. Gegen Pleasure-Ami-Trab sehr wohl. Er darf sich dann am langen Zügel warmschluffen. Kurz Schritt. Kurz stehen. Pferd zieht Handbremse. Löst sie auch nicht mehr. Da steht ja der Mann und der hat bestimmt was zu naschen.
Hallo? Ich frage mich dem Schenkel an.
Hallo? Ich frage deutlicher mit dem Schenkel an.
HALLO?!
HALLOOOHOOO? HERRGOTTNOCHMALEINS! Komme mir auch schon vor wie auf einem Schulpferd, als er sich stöhnend nach einem sehr deutlichen Schenkel in Bewegung setzt. Hachja … die Welt ist schlimm, ich bin ein armes Hascherl, ich schlafe lieber.
Pferd Schlafi, Pferd müde ist auch die nächsten fünf Minuten sein Motto. Vor allem bei Übergängen. Schritt, Trab, Halten … Hallo? Schritt? Irgendwas? Er steht da und sonnt sich. Ich schlingel habe ja heute keine Gerte dabei. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Schließlich bin ich jetzt EINMAL! In sieben Jahren mit Gerte geritten. Offenbar heißt das jetzt im Umkehrschluss: Hat sie keine, muss ich nichts machen.
Wir diskutieren also noch einmal herum, dann geht offensichtlich die Handbremse im Kopf kaputt und wir diskutieren über Sinn und Unsinn von Renntrab auf dem ersten Hufschlag. Ich finde, dass das doof ist, Pferd sieht das ganz anders. Es kommt zu einigen Diskussionen mit noch mehr Übergängen und einem sehr deutlichen: “Lass den Scheiß!”. Während er schon wieder versucht, sich beim Mann einzuschleichen, vielleicht hat der ja jetzt nen Keks.
Zum Schluss dürfen wir plötzlich dann wieder manierlich weitermachen, ja, ich wage mich sogar zu sagen: Fleißig.
Zum Feierabend verwandeln wir uns dann noch wieder ins liebe, nette Pferd. Und fragen nach Leckerlie beim Mann. Der hat sogar eins!
Foto: Die Phase “Scheintotes Schulpferd mit Tendenz zum lahmen Gaul”.