Jede Reitschule hat es: Das Lieblingsschulpferd. Das ist nicht das beste, oder tollste Pferd. Auch nicht das hübscheste, oder das auffälligste Pferd. Nein, es ist das Pferd, das durch seinen Charakter einfach ganz viele Herzen erobert. Es ist lieb, es verzeiht, es macht einfach jeden Unsinn mit. Alle Reitschüler lieben es, selbst die, die schon längst ins Privatpferdelager gewechselt sind, kommen, wenn sie das Lieblingsschulpferd sehen, nicht umhin, es einfach mal kurz zu streicheln, kurz zu quieken und seinen Namen in einem albernen, hohen Ton zu sagen. So macht man das mit dem Lieblingsschulpferd eben.

Es bekommt auch mehr Leckerlies als die anderen, was dazu führt, dass das Lieblingsschulpferd des Stalles gerne auch mal etwas pummeliger ist. Passiert. Ist aber keiner wütend drüber, der hat es sich ja verdient. So lieb wie er ist.
Eifersüchtig wachen also die Reitschüler über ihr Lieblingspferd. Blutige Fehden, wenn es heißt: „Einigt euch, wer den Pupsi reitet“, und fiese Randkommentare inklusive: „Die Beate hat den Pupsi jetzt aber schon dreimal geritten, ich will auch mal! Nicht immer nur die Beate.“ Wohlgemerkt – auch unter erwachsenen Reitern. Jeder mag eben dieses eine Schulpferd. Dabei kann man vielleicht gar nicht so viel von ihm lernen. Aber er ist eben ein echtes Feel-Good Pferd und erwärmt die Herzen.

Wer das Lieblingsschulpferd hat, wird kritisch beäugt. „Du, der Pupsi mag das aber gar nicht, wenn du SO bürstest. Ich kenne den ja voll lange.“
„Beim Pupsi kannst du aber nicht SO die Hufe auskratzen, das musst du SO machen.“
Und natürlich: „Der Pupsi mag mich ja am allerliebsten!“ und „Der Pupsi wiehert immer, wenn ich komme und ist voll aus dem Häuschen. Ich glaube, der mag mich noch viel lieber.“
Tja … Pupsi hat eben viele eifersüchtig wachende Reiter, die gucken, ob alles gut ist. Wenn Pupsi nicht geritten werden darf, kloppen sich gleich zwanzig Schüler darum, wer ihn denn jetzt nur putzen darf. Wenn Pupsi nur spazierengehen kann, dann rennt eine ganze Traube Schüler mit ihm durch den Wald.

Warum Pupsi dann so toll ist, das kann keiner erklären. Der macht irgendwas anders als die anderen Pferde. Aber wenn man die Leute fragt, leuchten die Augen und sie sagen: „Ach, der Pupsi? Der ist einfach toll. Ich hab den sooooo lieb.“
Pupsi ist nämlich nett. Der beißt nicht, der zwickt nicht und sollte er mal einen Reiter verlieren, liegt das nur daran, dass Pupsi entweder selbst gestolpert ist, oder, weil der Reiter ohne Bügel einfach runtergerutscht ist. Pupsi würde nie buckeln. Falls doch einmal, wird ihm das von seiner Anhängerschaft großzügig verziehen und es geht in die Mysterien des Stalls ein: „Hast du gehört? Vor 10 Jahren, da hat der Pupsi mal eine Frau runtergebockt.“

Wir hatten auch so einen. Der war schon ein in Ehren ergrauter Herr, der seine Schüler brav überallhin trug. Braun. Ein kleiner Stern. Schweres Warmblut. Im Winter ein Teddybär. Dann war er besonders niedlich und sogar Mütter, die ihre Kinder nur zum Stall brachten, waren von unserem „Pupsi“ hin und weg, obwohl sie sonst sich gar nicht trauten, ein so großes Tier anzufassen.
Alle Reitschüler liebten ihn. Er gab sich immer Mühe, er verstand seine Reitschüler, er hatte einfach Spaß mit ihnen. Er gab unsicheren Reitern Sicherheit, lehrte sie korrekte Hilfen und bespaßte auch die ganz kleinen an der Longe. Ohne je zu Murren, oder irgendwie unglücklich zu wirken. Ich glaube, das braucht einen ganz besonderen Charakter, den definitiv nicht jedes Pferd hat.

Als es Zeit war für ihn zu gehen, war unser ganzer Stall so unendlich traurig. So viele Leute, die vor der leeren Box standen und todunglücklich waren. Anschließend hatte unser Stall nie wieder so ein kollektives Lieblingsschulpferd. Davon gibt es auch nicht so wahnsinnig viele. Also hütet euren Schatz, wenn ihr ein solches Pferd habt. Die kommen nicht so schnell wieder.

Foto: Wäre nie das Lieblingsschulpferd. Viel zu launisch.