Schockierend, oder? Aber es stimmt. Das Pferd bestimmt, was ihm zuviel wird, ob es mitmachen möchte oder nicht und was es lernen will auch. Wir reden hier nicht von den Basics, sondern von Dingen, die optional sind. Vor allem alte Pferde bestimmen konkret, was sie noch tun können und was nicht. Oder sagen wir: Sie zeigen es. Es gibt genug Besitzer, die sich darüber hinwegsetzen, oder blind sind. Aber das Pferd bestimmt das Tempo, in dem es etwas lernt und es bestimmt auch das Tempo, in dem es weitergehen wird. Vor allem im Alter. Dann, wenn die ersten Alterswehwehchen auftreten, dann bestimmt das Pferd erst recht, wie nun weitergearbeitet wird.

Leider sind Reiter ignorant, oder blind, oder beides. Pferd wird 20? Ja, dann kann man vielleicht nicht mehr springen – Boing, neues Pferd geholt. Das Alte wird löblicherweise nicht verkauft, läuft aber nur nebenher. Dass auch ein altes Pferd durchaus noch was machen möchte, das kommt vielen nicht in den Sinn. Und zwar mehr als nur doof herumstehen und mal gestreichelt werden. Klar, manch altes Pferd KANN nicht mehr viel machen, möchte aber. Hier gilt es trotzdem das Pferd nicht abzuschieben, sondern zu gucken, was ihm gefällt. Meinen könnte ich z.B. problemlos „wegstellen“, geht der halt auf die Weide – das wäre ihm Schnurz. Hauptsache es kommt mal jemand und schunkelt alle hundert Jahre ins Gelände. Der ist kein Arbeitstier. Andere Kandidaten sind das schon.

Und andersherum ist es noch viel schlimmer. Nehmen wir jetzt mal so ein Pferd, das tickt wie meins. Das hat jetzt vielleicht Arthrose und steht als Rentner in einem Laufstall, wo es sich viel bewegen kann, eigentlich nur noch ein paar Streicheleinheiten möchte und dann ist auch gut. Nein! Das Besitzerlein will nicht. Das hat ein Pferd zum Reiten, also wird der Gaul auch geritten. Ob der jetzt will oder nicht. Ob der Spaß dran hat oder nicht. Ob er Schmerzen hat oder nicht. Ich sehe täglich blinde Leute auf alten oder kranken Pferden sitzen und frage mich: Was ist denn bei euch nicht richtig. Man kann das doch regelrecht hören, dass denen das zu viel ist. Pferde sind halt auch nett. Die sagen oft nix. Gerade die älteren Semester, die einfach zu gutmütig sind, um den Leuten mal zu sagen: „Runter mit dir, du kannst nicht alle fünf Wochen vorbei kommen, mich dann im Gelände rumreizen und dich dann fragen, warum mein Rücken so komisch aussieht.“

Ich bin ja auch lange Rentnerpferde geritten. Halt noch so ein bisschen was machen, weil alle drei keinen Bock auf Rente hatten. Auch mal zügiger ins Gelände, oder ein paar kleine Sprüngchen, so alle hundert Jahre. Man kann halt keine Omma reiten, ohne dass die auch ab und an über Stangen gehen kann. Möglichst hoch liegende Stangen über dem Boden.
Das war auch nicht anders als „richtiges“ reiten, auch wenn ja immer Leute meinen, dass man ja mit so einem alten Pferd nichts machen kann. Also 30 Minuten Einzelstunde, das kriegen die auch noch auf die Kette. Oder einen Ausritt. Vielleicht muss man die nicht 20 Runden in der Sommerhitze heizen lassen, aber auch ein altes Pferd kann ja mitmachen. Anschließend muss man vielleicht etwas länger Schritt gehen. Oder auch mal merken: Oh, heute geht aber nicht viel. Dann geht man vielleicht nur spazieren. Vielleicht auch gar nichts. Das ist völlig okay. Die sind ja nicht blöd, sondern nur alt.

Leider sehen Reiter das nicht. Ein altes Pferd nimmt dem ganzen Leben so ein bisschen die Beschleunigung. Es geht nicht mehr so schnell, es macht alles nicht mehr so schnell, es möchte vielleicht auch nicht mehr alles, aber es tut auch vor allem eins: Es entspannt ungemein. Ich finde ja nichts entspannender als sich mal fünf Minuten mit so ner Pferdeomi hinzusetzen. Alles ist so ein bisschen fluffig und laaaangsam. Manchmal auch kurz hektisch, dann wieder laaaangsam. Man kann sich mal nen Moment anlehnen und kurz durchatmen. Ich finde die immer zum Knutschen. Schlabberlippen, wuscheliges Fell. Wie kann manch Reiter deren Bedürfnisse (sei es in die eine oder in die andere Richtung) so krass ignorieren?

Foto: Keine Opis, nur bisschen doof.