Fast jeder kennt es, fast jeder verzweifelt auch irgendwann einmal daran: Das triebige Pferd. Es ist einfach nicht aus der Ruhe zu bringen, nur wenn es mal seine jährlichen fünf Minuten hat. Ansonsten läuft es nur zum Futter schneller. Und das auch nur bedingt – wenn gerade Vollmond ist und die restlichen Sterne auch irgendwie günstig stehen.
Es bewegt sich einfach nicht. Zu falschen Hilfen schon mal gar nicht, es möchte alles wie im Lehrbuch haben. Und dann kommt es vielleicht mal langsam aus dem Quark. Aber bedächtig. Dieser Pferdetypus kennt keine Eile. Das weiß nämlich genau: So eine Reitstunde hat 60 Minuten und die gehen nicht schneller vorbei, nur weil ich schneller laufe.

Das fängt ja schon beim Schrittreiten an. So ein Reitlehrer, der möchte keinen Schulpferdeschluff sehen. Das muss fleißig sein, lockernd und fordernd. Schlafen können die Leute schließlich zu Hause im Bett. Nicht in der Reitstunde.
Das triebige Pferd sieht das nicht so. Also klar, es reagiert. Aber eben langsam. Und auch nur solange, wie der Reiter treibt. Hört das auf, hört auch das Pferd auf, frei nach dem Motto: Machst du nichts, mach ich auch nichts.
Somit ist der Reiter schon nach dem Warmreiten schweißgebadet, das Pferd aber noch so frisch wie ein Einhornpups. Das lässt sich eben nicht so schnell aus der Ruhe bringen.

Antraben ist angesagt. Also für den Reiter. Das Pferd hat davon noch nie viel gehalten und möchte jetzt bitte auch eine korrekte Trabhilfe. Manchmal auch eine Erinnerungsstütze mit Gerte. Sollte jemand so tricky sein, Sporen sporadisch als Erinnerungsstütze einzusetzen, verhungert er übrigens, sobald die Sporen wieder weg sind. Also niemals gut.
Ist das Pferd angetrabt, dauert es drei Schritte, bis das auch im Pferdehirn angekommen ist. Denn bei triebigen Pferden ist alles langsam, auch das Denken. Überfordern darf man die nicht. Sonst gibt es einen Kurzschluss im Gehirn und sie fallen tot um, weil sie das Atmen vergessen.
Es trabt also … aber nur bis zur nächsten Ecke. Da hat der Reiter nicht gut genug gesessen und auch eine Millisekunde nicht nachgetrieben.

Da parkt es dann, wendet sogar selbstständig auf den zweiten Hufschlag ab. Denn so ein triebiges Pferd bietet Kompromisse wie ein echter Vertriebler an: Hey, guck doch mal, ich mach hier schon mal alles bereit und du musst nur noch „Schritt“ sagen!
Somit befindet sich der Reiter in ständiger Diskussion mit dem Pferd, solange es trabt. Verzweifelte Reiter neigen dann dazu „den Motor“ anzulassen und sehr früh den Galopp miteinzubinden, in der Hoffnung, dass es irgendetwas nützt. Tut es aber nicht.

Das triebige Pferd galoppiert bestimmt mal an. Also wenn der Mond im 7. Haus des Wassermanns … ach, ihr kennt das ja. Es ist halt nur nicht sehr konsequent und in der Ecke ist sowieso ein guter Punkt zum aufhören. Also hört es da auch auf, während der Reiter mit puterrotem Kopf und klemmigen Knien irgendwie das Pferd vorwärts schiebt, aber nicht runtergeschüttelt wird, weil das Pferd prompt wieder Schritt anbietet. Natürlich auf dem zweiten Hufschlag, das weiß es ja.

Also muss natürlich weiter an der Durchlässigkeit gearbeitet werden. Nun, durchlässig ist es ja. Nur nicht lange. Findige Reitlehrer kommen auf die Idee: Na, dann machen wir doch mal Trab-Schritt-Trab Übergänge. Das kommt dem faulen Pferd aber nur entgegen. In den Schritt durchparieren kann es sehr gut, permanent und das bietet es dann auch steif und fest an. Immer und immer wieder. Es geht auch artig vom Hufschlag weg. Nicht, dass sich nachher jemand beschwert, oder es zu einem Auffahrunfall kommt.
Anschließend macht das Pferd Trockenstehen und der verzweifelte Reiter jammert, weil ihm die Haxen wehtun.

Da hat man nun den Salat. Das triebige Pferd wird nämlich nicht einfach damit aufhören. Nein, das möchte bitte sehr konkrete Anweisungen. Permanent. Und es fragt auch mal: Möchtest du nicht einfach gemütlich Schritt reiten? Aber immerhin: Schussfest ist es. Denn es ist einem so faulen Pferd einfach viel zu anstrengend, buckelnd mit den anderen durch die Halle zu pesen, oder im Gelände durchzugehen. Schritt ist doch so viel entspannter.

Foto: Manchmal genau SO!