Wir gucken ja eigentlich immer in die Vergangenheit und sagen: Früher war alles besser. Da kommen dann auch zurecht Leute und brüllen: Quatsch, da haben wir nur einfach total viele Dinge ignoriert. Und natürlich gab es da richtige Scheiße: Ständerhaltung, Abteilungsreiten bis zum Erbrechen, Anatomie des Pferdes wurde oft ignoriert, wenn die Schulmedizin nicht half, half nur der Schlachter und das mit der Weide hatte auch nicht jeder verinnerlicht. So können wir doch jetzt eigentlich froh sein in einer aufgeklärteren Welt zu Leben, nicht wahr? Nein. Also nicht nur jedenfalls.
Das möchte ich heute mal am Allheilmittel und Liebling der Massen – der Bodenarbeit – erläutern. Das sind Gedankenspiele – ihr müsst nicht meiner Meinung sein. Aber ihr könnt mal drüber nachdenken.

Als ich Kind war und Reiten lernte … da war das vielleicht was für Cowboys, aber bei uns longierte man ein Pferd, oder man ging mit ihm spazieren. Das war alles, was sich am Boden abspielte. Vielleicht ließ man auch noch ganz klassisch das Pferd mal in der Halle toben. Mehr gab es da nicht. Was nicht bedeutet, dass nicht schon damals Leute klassische Schule an der Hand bei uns im Stall betrieben haben – auch wirklich hohe Lektionen. Richtig gut, die Frau. Aber war immer so ein bisschen Zirkusreiterei.
Jetzt macht jeder Bodenarbeit. Die ganze Zeit. Irgendwie ist es auch schick geworden. Ich musste am Anfang auch auf den Boden (gesundheitsbedingt). Aber ich bin halt kein Fan. Viel gebracht … hm … kann ich im Nachhinein nicht mal sagen. Aber ich wäre auch nicht dort mit meinem Pferd wo ich jetzt wäre, wenn es nicht endlich auch mal Alternativen zu manchen Dingen gäbe. Was es halt früher nicht zwingend gab. Und teilweise auch so gar nicht. Vor allem in Sachen Zäumung oder Sättel.

Und jetzt muss ich mal zurückgehen. Was bin ich denn früher geritten? Warmblüter. Unterschiedlich in ihrer Art und Weise. Manche mit viel Blut, manche ohne. Das waren alles sehr ordentlich ausgebildete Pferde, die nicht ständig ihrem Gleichgewicht hinterherliefen und auch ein bisschen mehr konnten, als nur den Kopp zu rollen, damit der Reiter endlich Ruhe gibt. Das ist ganz offensichtlich ohne Bodenarbeit entstanden. Weil sich die meisten dieser Reitpferde ähnlich bedienen ließen. Ähnlich – nicht gleich. Unterschiedlich reiten musste man sie sehr wohl. Nun – sind ja auch Pferde. Eigentlich funktionieren die doch irgendwie alle gleich.
Eine fiel aus dem Raster – der Todesstern. Vielleicht hätte die von ein bisschen Bodenarbeit profitiert. Zumindest aber von Longenarbeit mit Kappzaum, davon bin ich überzeugt. Gab es nur nicht. Wer weiß, ob die nicht auch mal locker flockig geworden wäre … obwohl … nein. Einfach nein. Was nicht an der Bodenarbeit liegt sondern an einem Pferd mit der größten Anti-Haltung der Welt.

Dann bin ich zu den Galoppern gegangen. Die laufen zwar schon mal eher ihrem Gleichgewicht nach (vor allem, wenn man sie plötzlich reiten und nicht rennen will), aber das waren (bei uns! Und das sage ich extra dazu, weil ich auch das Gegenteil kenne) grundsolide, sehr gut erzogene Pferde. Und von denen hat keiner Bodenarbeit gemacht. Gehen die aus dem Rennstall kann man aber Pech haben und ein unbemuskeltes Exemplar erwischen (weils schon länger nicht mehr arbeitet) – dann muss man ja auf dem Boden bleiben. Ergo: Hilfreich.

Und jetzt sehe ich mich ein bisschen um. Eigentlich reite ich ja nur noch mein Pferd. Aber manchmal auch nicht und dann sitze ich da auf so Bodenarbeitswundern … und frage mich: Wieso können die nicht mal anständig mit Reiter geradeausgehen? Was ist denn da schief gelaufen? Machen doch die ganze Zeit Bodenarbeit. Tja … da liegt der Hase im Pfeffer. Viele Pferde können sich mit Reiter auf dem Rücken gar nicht ausbalancieren, weil entweder falsche Bodenarbeit gemacht wird, oder viel zu wenig geritten wird. Denn manche Leute gehen ja dann, sobald was im Sattel nicht klappt, wieder zurück. Wenn ich das jedes Mal machen würde, stünde mein Pferd aber nur noch auf dem Mittelzirkel und würde dumm gucken.
War das jetzt früher besser? Ne, wahrscheinlich nicht. Aber die Leute sind wenigstens noch geritten. Da konnte das Pferd sich halt irgendwann auch korrekt ausbalancieren und man musste nicht Angst haben, bald im Graben zu liegen, obwohl man nur ne Volte getrabt ist, oder die Bande zu küssen, weil jetzt auf dem Zirkel galoppiert wird.

Ein gesundes Mittelmaß hilft. Ja, auch eins, was man reitet. Echt jetzt. Allerdings geht das ja nicht, wenn man Bodenarbeit nur deswegen macht, weil man meint, man müsse dem Trend der Zeit hinterherlaufen – es aber weder richtig macht, noch irgendwie sinnvoll einsetzt, um dem Pferd spätere Lektionen unter dem Sattel zu erleichtern. Lieber richtig sinnlos machen, aber dafür ordentlich den Bodenarbeitsguru raushängen lassen. Dann klappt das auch mit den Likes.
Früher war eben doch manchmal was besser … Und wenn auch nur, weils da noch keine Likes gab, nach denen man sich richten musste.

Foto: Begutachtet die Baustelle. Bald vorbei!