Wir wissen also nicht, wo unser Reitergen herkommt oder was uns infiziert. Das ist einfach irgendwann da und macht etwas mit dem Reiter in Spe: Es macht ihn wach. Du MUSST jetzt was mit Pferden tun. Manche fahren sie, andere tüddeln sie, andere lernen Lektionen am Boden und der Großteil reitet sie: Auf vielfältige Weise.
Aber wie kann man das jemandem begreiflich machen, der keine Ahnung hat, was Reiten ist? Oder was es mit uns anstellt, dass wir den Umgang mit den Pferden so penetrant provozieren, dass es die Umwelt schon regelrecht nervt.
Es ist zudem schlichtweg falsch, was manche Leute annehmen. Gerade Frauen wird nachgesagt, dass es schon beinahe etwas Sexuelles hat: Die Kontrolle über so ein großes Lebewesen. Aber Kontrolle ist das falsche Wort. Wir Reiter kontrollieren ein Pferd niemals 100%. Warum? Weil es stärker ist als wir. Wir hoffen, dass sein guter Wille überwiegt und es uns reiten “lässt”. Wir bauen darauf, dass unsere Beziehung innig genug ist, damit wir im Ernstfall die Kontrolle haben dürfen.
Beherrschen wird der Reiter sein Pferd nie. Nicht mal mit unlauteren Mitteln. Und Sex ist so ziemlich das letzte, woran man denkt, wenn man im Sattel sitzt – Reiten ist anstrengend, wir denken, während wir reiten ans Reiten. Sehr simpel also.
Wir verstehen auch nicht, wieso sich die Faszination nicht jedem automatisch erschließt. Weil das schöne Gefühl, dass man in der Nähe der Pferde hat, einfach für sich spricht und keiner Erklärung bedarf. Wir können das auch nicht gut erklären, weil es wahrscheinlich weltweit für jeden Reiter gleich ist und man sich denen ja nicht erst erklären muss.
Ergo denkt der Reiter: “Wie kann man das NICHT mögen?”
Effektiv gibt es eine Menge Dinge, die dagegen sprechen. Man wird dreckig, es ist zeitintensiv, es ist eine sehr teure Leidenschaft, es ist schweinegefährlich bis hin zu Todesfällen durchs Reiten.
Aber an all das denkt der Reiter nicht, wenn er sich auf den Pferderücken schwingt. Er uns sein Pferd sind in dem Moment eine Einheit. Und sie haben ein Ziel. Manchmal ist das ein Sprung über den Graben, manchmal ist es Entspannung. Manchmal ist es Genesung. Manchmal ist es ein Turnier, ein Rennen, eine Aufgabe – ein Ziel ist immer da. Irgendetwas wird bezweckt. Und des Reiters Job ist es, dieses Lebewesen dabei auf seine Seite zu bringen. Darin liegt sein ganzes Streben, er versucht sein ganzes Leben ein viel größeres Lebewesen dazu zu überreden, mit ihm zu arbeiten.
Und wann immer er es schafft, stellt sich ein wunderbares Gefühl der Einheit ein. Weil zwei völlig unterschiedliche Spezies, die eigentlich gar nicht miteinander kommunizieren können, es trotzdem tun und einander verstehen und Dinge tun, die so sonst nicht möglich sind. All das, was den Reiter antreibt, ist die Tatsache, dass er jeden Tag mehr verstehen möchte. Mehr erreichen möchte (und das ist nicht negativ gemeint, aber der Reiter lernt mit seinem Pferd ein ganzes Leben lang und er wird es auch tun, wenn er kein Turnier geht – aber er möchte für sich und sein Pferd mehr erreichen – Bessere Gesundheit, bessere Lektionen, besseres Händling oder einfach nur besseres Verständnis).
Wenn ihr trotz des Textes nun immer noch nicht verstehen könnt, warum der Reiter ein Leben lang die Nähe zum Pferd suchen wird (selbst wenn er alt ist und nicht mehr reiten kann und darf), dann seid euch wenigstens sicher: Wir können euch auch nicht verstehen. Ist das nicht verrückt, dass manche Menschen noch nie versucht haben auf einem Pferderücken zu sitzen?
Der Reiter bleibt immer Reiter. Selbst wenn er nicht reitet. Ach, ja … verrückt bleibt er übrigens auch.
But we’re never gonna survive unless we get a little crazy crazy …
Foto: Immer noch eins meiner Lieblingsbilder. Die genialen Traber aus Mönchengladbach.