Manchmal war ich in meinem Leben auch schon AVD … Verzeihung, Praktikant. Das ist dennoch sehr interessant, denn da bekommt man Dinge zu sehen, die hat man in die Klischeekiste gesteckt und eigentlich nicht für realistisch gehalten. Wer ein Praktikum im Reitstall machen will, sollte schon echt abgebrüht sein.
Ich, jahrelang klassisch Englisch unterwegs, in meinem ersten Offenstall mit alternativen Reitweisen. Hört ihr schon den Engelschor? Die Praktikumsbeschreibung liest sich so charmant, dass meine Mutter sich erst weigert, mich dort überhaupt hinfahren zu lassen, trotz Volljährigkeit meinerseits. Da wird nämlich schon in der Praktikantensuche eigentlich nur über selbe geschimpft, dass die ja nicht richtig arbeiten und immer nur faul sind und da auch mal über die übliche Arbeitszeit hinaus ranmüssen und wer nur meckert, der kann wieder gehen.

Weiß auch nicht, glaube das war meine masochistische Phase.
Ich gurke hin, bin in der Pampa, kein Handyempfang, habe aber „Vollpension“ – was gut ist, denn dort ist nichts. NICHTS! Und wenn ich nichts sage, meine ich auch nichts. In die Stadt ist es eine Stunde, es fährt kein Bus und es wird auch niemals von den Stallbetreibern gefragt, ob sie etwas mitbringen sollen. Wenn man selbst anfragt, heißt es – kannst du ja in der Pause machen. Man kriegt doch Wurst und Brot. Und das ist wörtlich zu verstehen, ich habe eine Woche morgens und abends Wurst mit Brot bekommen. Und Wasser. Mittags? Mittags hat man zu arbeiten, keine Zeit für Essen.

Mir ist klar, dass die nicht das fünf Sterne Menü auffahren können und möchten, aber es wäre nett gewesen, mal etwas anderes als Wurst zu sehen. Als ich nach dem dritten Tag danach frage (oder mal etwas Warmes – es ist sehr kalt!), werde ich angeranzt: „Ja, direkt meckern, wa?!“
Die 12 jährige Schülerpraktikantin, die mit mir dort ist, ist ziemlich krank. Wirklich eher noch ein Kind als Teeny, sie geht mir gerade mal bis zur Brust, mag aber Pferde sehr gern. Sie hustet und hat üblen Schnupfen, wird angemeckert, wenn sie keine Wassereimer zum Stall schleppt. Auch so eine Faule …
Der Stall … da hätte ich euch doch glatt das Beste verschwiegen. Der Stall ist ein Matschloch mit Dach. Am Hang. So richtig am Hang, so tief und steil ist der Matsch, dass ich darin mit meinen Stiefeln komplett versinke, während ich hochlaufe. Komme irgendwann keuchend oben an, da klemmt mir die Stallbesitzerin noch: „Ja, die Stadtleute kennen halt keine Berge“ – Ne, die Stadtleute halten das auch nicht für einen gut gepflegten Offenstall!
Oben erklärt sie mir stolz, dass sie schon Beinbrüche geheilt haben. Frage nur ich mich, woher die wohl gekommen sind?

Morgens füttern ist auch interessant. Nur ausgewählte Pferde bekommen eine handvoll Pellets, auf einer Tafel steht, wann welches Pferd seine Ration bekommt. Auf meine Frage hin, warum das so wäre, erklärt die Stallbetreiberin augenrollend: „Hast du wohl noch nie gesehen, ne? Das ist besonders hochwertiges Futter, das muss man nicht immer füttern …“ Ja, das hab ich tatsächlich noch nie gesehen. Frage mich aber, wann sie zuletzt ihre Klepper angeschaut hat. Gut sieht davon keins aus. Könnte ich ihre Beine sehen, würde ich wahrscheinlich auch die Mauke erkennen und die Strahlfäule … aber leider hat sie nur Ponys und die versinken im Schlamm bis zum Bauch.
Ein Großpferd hat sie aber auch, auf das setzt sie mich. In meiner Mittagspause. Auch die Schülerpraktikantin reitet auf einem Pony mit. Mein Pferd … also reiten ist das jetzt nicht. Es macht nämlich nichts. Auf keine meiner Hilfen hin. Schicke ihn irgendwann vorwärts, weil es mir reicht, da schimpft der Stallbetreiber los: „Ja, die Englischreiter wieder, die können nur bolzen. Den muss man mit dem Sitz vorwärtsreiten.“ Ja, das möchte ich doch gerne sehen. Er reitet ihn mir aber nicht vor.
Als ich generell nach Reiten frage (ja mich geradezu erdreiste, denn ich bin hier zum Reiten hergeholt worden), bekomme ich die Antwort: „Reiten kannst du wenn hier alles erledigt ist, das musst du schon in der Pause machen. Also ohne Engagement von dir kriegst du auch nichts …“

Oh, klar, ich schmeiße euch eben euren kilometerweiten Offenstallmatschhang mit allem drum und dran, dann reite ich in meiner Pause und dann mache ich weiter. Um abends Wurst mit Brot zu bekommen.
Am nächsten Tag wird man mit stockelahmen Viehchern dann mal in den Wald geschickt. Ausreiten. Müssen sich einlaufen, sagen sie …

Der Schülerpraktikantin geht es immer schlechter, sie kriegt kaum Luft auf ihrem Pony und wird zum Dank angemeckert. Als sie weinend absteigt, wird sie als blöd hingestellt und als faul. Sage ihr, dass sie bitte auf ihr Zimmer gehen soll und ich gleich nachkomme. Muss sie erst mal trösten und erkläre ihr dann, dass sie bitte ihre Eltern anrufen soll, damit man sie abholt. Will sie nicht, ist schon zu eingeschüchtert.

Am Abend tun die Stallbetreiber einen auf „nette“ Leute. Fragen uns, wo wir denn sonst so reiten würden. Ich, jetzt schon in dem Wissen, dass ich nicht wiederkomme, erkläre, dass ich anschließend in einen Rennstall gehe. Hätte auch sagen können, dass ich Kinder dem Satan opfere, denn die Offenstallmenschen sind so alternativ, die hassen das Wort „Rennen“ schon. Mich gleich mit.

Mir langts, gehe nach oben, rufe Zuhause an. Und bei den Eltern der Schülerpraktikantin, die ihr Kind ziemlich entsetzt abholen. Gehe wieder runter, erkläre, dass ich jetzt fahre und darf mir dann noch, bis mein Vater da ist, eine Menge dummer Kommentare über faule und blöde Praktikanten anhören. Und über Tierquälerei.