Wo Reiter sich ständig beklagen, dass Hunde doch bitte im Wald an die Leine sollen, wenn sie nicht gehorchen, hat plötzlich eine Vielzahl der Halsringreiter die Hardcore Variante der Verantwortungslosigkeit für sich entdeckt: Pferde einfach frei laufen zu lassen. Ohne Halsring und nicht draufsitzend. Ne, ne, neben sich her. Manchmal sitzen sie dann auch noch selbst auf einem Pferd, dem sie Aufmerksamkeit zollen müssen. Wer passt dann auf das lose Pferd auf? Na, richtig, der heilige Geist! Vielleicht auch Pumuckl, oder die Maulende Myrte – kurzum, irgendein Geisterwesen, dass nur im Kopf des Reiters existiert. Er nennt den ominösen Geist übrigens: Vertrauen.

Natürlich gibt es da NIE andere Verkehrsteilnehmer und Straßen und das Pferd kann ja sowieso nirgendwo hin. Es vertraut ja außerdem und deswegen läuft es niemals weg. Es ist übrigens völlig irrelevant ob man in dem Video oder auf dem Foto andere Verkehrsteilnehmer sieht, oder die Straße im Hintergrund – nein, nein, das stimmt alles gar nicht, da ist vorher noch ein Zaun. Ein imaginärer Zaun. Wenn man ihn sich nur genug einredet, ist er da.

Ich verstehe das wirklich nicht. Reiter machen so ein Geschisse um andere Verkehrsteilnehmer und regen sich auch oft zurecht über die auf – aber dann kommen da solche Scherzkekse um die Ecke …
Wobei ich einen richtigen Rappel bekomme, sind die Leute, die das ganze Spiel noch steigern und das mit einem Junghengst veranstalten. Schön! Da freut sich doch jeder Stutenbesitzer im Gelände. Ach, ich vergaß, die Leute, die ihr Pferd einfach frei nebenher dackeln lassen, die wohnen ja immer dort, wo es nichts anderes gibt. Respektive in Narnia, auf dem Mond oder neben Hagrids Hütte.
Es gibt also niemals andere Reiter, die das scheiße finden könnten, fünfbeinig vom freilaufenden Hengst begrüßt zu werden. Und selbst wenn es kein Hengst ist … ich möchte nicht, dass sich fremde Pferde meinem Pferd mal eben spontan spielerisch nähern, wenn ich da noch draufsitze. Das könnte im Ernstfall nämlich echt wehtun.

Ist natürlich viiiiel besser, wenn es Ponys sind. Genau, die hinterlassen nämlich kleinere Blutflecken auf dem Asphalt und man muss weniger putzen, wenn man sie plattfährt. Und überhaupt, das ist doch nicht mehr als ein großer Hund, so ein Shetlandpony und deswegen können die ja einfach so rumlaufen, wenn Hunde das auch tun.
Ich verstehe das nicht, wirklich gar nicht. Noch weniger als Halsringreiten im freien Gelände. Da kommt mal ein Jäger, mal ein Hund, mal ein Traktor – und huiii … da ist das liebe nette Pferd, das einem ja soooo blind vertraut, sofort weg. Ist es wirklich eingezäunt (es gibt ja die ganz wenigen Höfe, die sogar ein großes Areal eingezäunt haben) – ja, dann bitteschön. Geschenkt, dann kann das jeder machen. Sofern ihr mich dann nicht bittet, das Vieh auf drölfhundert Hektar zu suchen, weil es abhanden gekommen ist. Da winke ich euch dann gerne mit meinem Strick und meinem Halfter, aber mehr auch nicht. Das ist dann euer Problem.

Ich möchte euch abschließend außerdem noch eine tolle Anekdote erzählen, die von Vertrauen und sehr vielen lachenden Leuten handelt.
Eine Dame hatte ein nervöses, zappeliges Pony. Aber sie hatte ja schon sooooo viel geschafft, das Pony war eigentlich auch gar nicht mehr zappelig (zumindest nicht in ihrer Vorstellung, ich fand das Ding grottennervig) und überhaupt, mit Vertrauen geht alles.
Deswegen führte sie ihr Pferd jetzt plötzlich auch vom Putzplatz bis zur Box ohne alles (und der Weg ist ziemlich weit). Weil sie sich ja vertrauen. Und was belächelte sie mich, wenn ich mit dem Todesstern daher kam, manchmal mit böser Kette, weil man der keine fünf Minuten lang vertrauen durfte.
Meine Reitlehrerin sah sie dann also auch mal irgendwann und sprach sie an: “Finde ich irgendwie nicht so doll. Nachher ist das Geschrei groß, wenn die dir wegläuft und mal auf die Straße rennt.”
“Nein, nein, die vertraut mir.”
“Führ die bitte nicht so über den Hof. Das ist mir zu unsicher.”
“Ja, ja …” Heißt ja bekanntlich: “Leck mich am Arsch.” Madame dachte also gar nicht daran ihr Pony irgendwie zu befestigen.Das ist ja Vertrauen.
Ja, denkste. Eines schönen Tages sitzen wir also auf der Mauer, rauchen gemütlich eine, meine Reitlehrerin kommt vorbei, hält nen Schnack, da hören wir schon auf der Boxengasse galoppierende Hufe. Erst rast ein schwarzes Pony an uns vorbei. Dann die Besitzerin, die “Neeeeein, Sweeeeety”, hinterherbrüllt.
Sweety biegt ab. Statt in den Stall auf den Parkplatz und Schwupp, ab auf die Straße.
Alle, die auf der Mauer sitzen lachen bis sie nen Herzkapser bekommen. Echt, fehlt nur noch, dass wie in einem Slapstickfilm ein Bus vorbeirollt und das Pony plattfährt. Ja, ja … Vertrauen. Ganz was Tolles.

Ps. Geholfen haben wir irgendwann auch. Nach dem Lachen.

Foto: Auch mit Halsring. Kann man auch auf dem Reitplatz benutzen, sofern man nicht allergisch darauf ist.