Machen wir uns nichts vor, das Pferd ist ein tolles Hobby und eine Bereicherung unseres Lebens. Aber es ist auch mit einem gewissen Risiko verbunden. Deutlich größer, als es das bei Kleintieren ist – denn die sind vor allem eins: Nicht so zerbrechlich wie ein Pferd. Mal abgesehen natürlich von unserem eigenen Risiko, dass wir beim Reiten haben – ist leider Fakt, aber soll heute nicht unser Thema sein. Sondern die Tatsache, dass wir unser Pferd täglich mit anderen Pferden zusammenstellen. Und Pferde sind groß, schwer, blöd, aggressiv, passiv, angriffslustig, blödeln herum, sind klug und halten sich raus, oder stehen nur leider gerade im Weg. Pferde haben so viele Charakterzüge wie Menschen.

Und diese Charaktere treffen unkontrolliert aufeinander, wenn Pferde miteinander Kontakt haben – die einzige Art Pferde korrekt zu halten. Das ist ja auch schon das Dilemma. Natürlich wollen wir nicht, dass unser Pferd sich verletzt. Aber wir wollen auch nicht, dass es keinen Kontakt zu Artgenossen hat und sozial verkümmert. Also nehmen wir das Verletzungsrisiko in Kauf. Es geht ja gar nicht anders. Da kann man noch so liebe und nette Herden zusammenstehen haben, die 20 Jahre lang sich kennen und lieben. Und heute hat mal einer schief geguckt, der andere wollte nur eine Fliege verscheuchen, es gibt einen Tritt und eines der Pferde ist schwer verletzt, oder sogar tödlich verletzt.

Denn wir wissen ja: Pferde haben einfach mehr Gründe um zu sterben. Wenn sich eine Katze ein Bein bricht – ist das nicht ihr Todesurteil. Beim Pferd zu 99% schon. Das ist tragisch, aber das passiert leider. Wir haben alle keine Pferde aus Gummi. Die meisten schlimmen Unfälle passieren im Zusammenhang mit anderen Pferden, weil das Pferd nun mal ein großes schweres Tier ist, das in seiner Freizeit seinen Instinkten gehorcht und die sagen halt auch mal: Alle laufen los, da muss ich mit. Scheißegal, ob ich vor Kurzem noch nen Sehnenschaden hatte. Aber was wäre das denn für ein Leben, wenn es nur in der Box stünde und keinen Kontakt haben darf, weil es sich verletzen könnte? Kein Gutes jedenfalls.

Es passiert leider einfach. Niemand kann ahnen, dass ausgerechnet heute die zwei langjährigen Freunde sich auf der Zweierweide zu Grunde richten. Keiner kann wissen, ob heute nicht einer Alarm schlägt, die ganze Herde rennt und einer die Bremse nicht mehr findet. Dass der, der eigentlich ruhig machen muss, weil er einen Sehnenschaden hat, unbedingt heute raufen möchte. Die Liste ist lang. Andere Pferde sind immer ein Risiko. Ja, das muss man sich bewusst machen. Mein Pferd könnte “Schuld” daran sein, dass irgendein anderes ums Leben kommt. Der ist schließlich groß, der braucht so ein Shetty nur mal blöd im Spiel treten.

Und da ist es wieder: Die Vermenschlichung. In der Regel gehen unsere Pferde nämlich nicht mit dem Gedanken dahin: Den töte ich jetzt. Sondern sie spielen. Oder kommunizieren. Manchmal haben sie das andere Pferd einfach nur nicht gesehen. Oder wollten ihm sagen: Lass mich in Ruhe. Aber sie wollten doch ganz sicher nicht das andere Pferd töten. Schließlich sind heftige Revierstreitigkeiten in einer bereits bestehenden Herde kaum vorhanden. Und Hengstkämpfe macht da auch keiner, weil alle kastriert sind.

Wir müssen uns also schlichtweg von dem Gedanken lösen, dass irgendwer Schuld ist. Jaja, es gibt unerzogene und unsoziale Pferde, die durch frühere Haltungsfehler nicht gut mit anderen können. Aber so ein Pferd hat man in der Regel ja schon bewusst woanders geparkt. Meist in Zweiergruppen, wo so was geht. Die wirft man (als verantwortungsvoller Pferdehalter) ja nicht einfach wild in eine Herde und guckt dann erst am Abend, wer die Hunger Games gewonnen hat.
Meist ist es aber ein ganz normales Pferd – so wie deins oder meins – und es hat eine Verletzung verursacht, die es so nicht geplant hat. Warum auch? So ein Pferd denkt ja nicht: Och, weißte, heute trete ich dir mal das Griffelbein zu Klump und morgen kriegste nen Kieferbruch. Du hast ja auch echt blöd geguckt gestern, das hat mich gestört.

Umso schlimmer finde ich es, wenn Besitzer dann Schuldige suchen. Das geliebte Pferd ist tot oder schwer verletzt – ja. Eine Schuldsuche ist auch menschlich. Aber am Ende sollte man doch wieder einen klaren Kopf bekommen und sich sagen: Na, was hätte man dagegen tun sollen? In Watte packen können wir sie schließlich alle nicht. Obwohl wir das natürlich könnten. Aber was wäre das für ein Leben?

Foto: Kindergucken. Steht er drauf.