Ihr wisst ja, ne? VERTRAUEN! Das muss man auch mal großschreiben, weil das so ultimativ wichtig ist, dass die Pferdemädels von kaum etwas anderem reden. Ausbildung, Gymnastizierung, Skala der Ausbildung – alles Schnee von gestern. Der Halsring ist der Shit und er ist quasi der neuzeitliche Jesus der Reiterei. Wenn aber alle ihre Halsringbilder posten, komme ich ja nicht umhin, manchen mal die Illusion zu nehmen, dass das immer zu klappen hat und jeder, der mir erzählt, dass das Pferd damit zu 100% genauso funktioniert, wie mit Zaum und Sattel, den halte ich erst mal für einen Dummschwätzer. Denn es kennt die Hilfen, die vom Halsring kommen, erst mal nicht. Deswegen sieht das dann in Wahrheit das erste Mal so aus.
Ich schwinge mich also auf mein Pferd. Es ist unbequem, weil Vollblut + Widerrist. Das macht jetzt schon keinen Spaß. Selbstversuche mit Gartenstuhlunterlagen enden auf dem Boden (sehr rutschig). Okay, okay, dann doch ohne alles.
Ich lenke. Mit meinem Hintern, so wie er das gewohnt ist. Klappt. Kringel, Zirkel, Volten, Richtungswechsel – das passt schon.
Wir sind ja schließlich auch noch im Schritt. Da funktioniert das auch noch. Auch wenn mein Pferd jetzt schon geschnallt hat: Hohoooo! Ich kann nach innen drängeln. Denn das begrenze ich normalerweise mit Schenkel und Zügel.
Nun denn, wir traben an. Nicht schnell, der Gang ist noch nicht drin. Ist übrigens immer noch nicht bequemer geworden. Eher noch unangenehmer. Das ist also Vertrauen: Ein malträtierter Hintern. Na, ja … so Ostwindpferde sind ja meistens eher pummelig. Vielleicht hab ich das falsche Pferd. Und übrigens: Das Pferd guckt. Sehr kritisch. Da fehlt was. Stellung? Ach, leck mich doch. Guck, mal, ganze Bahn ist auch schön. Ja, da kannst du jetzt dumm einsitzen, wie du lustig bist, ich merk doch genau, dass da was fehlt. Zupfen am Halsring … hm, na, gut, dann Zirkel. Auf der offenen Seite legt er allerdings spontan zu, sodass ich durchgeschüttelt werde und mich leider nicht sonderlich auf korrekte Sitzhilfen konzentrieren kann. Können die ja auf dem Stoppelfeld immer. Okay, geht auch nur geradeaus und man muss nur die Arme hochreißen, wie auf der Achterbahn, und gucken, dass das Wallakleid gut fällt.
Hab kein Kleid. Vielleicht auch ein Problem. Kann so gar nicht das Vertrauen spüren. Pferd vertraut mir auch nicht mehr, das legt den Kopf nach rechts, drängelt nach links und bekommt einen Anschiss von mir. Er ist halt nicht so behämmert und hinterfragt nix – der merkt doch schließlich genau, dass ich nicht alles überwachen kann, wenn ich nur einen Halsring habe. Wir halten also an und diskutieren das mit rückwärtsrichten aus. Kein Problem, das geht wieder. Pferd ist nur leider jetzt frackig.
Und wenn er frackig ist, kramt er das Rennpferd raus. Daher traben wir jetzt 10 Runden Stechtrab mit Giraffenambitionen, während ich mich auf dem Rücken festklette, damit ich nicht einfach runtergeschüttelt werde.
Ich pariere noch mal durch, was er mit knatschigem Gesichtsausdruck (wieso ich das sehe? Weil er eine Eule ist und seinen Kopf dreht) quittiert. Menno, ich war grad so schön am rennen.
Also galoppiere ich aus dem Schritt an. Das geht. Eine Runde. Ein Zirkel geht auch. Dabei fällt er aber aus und jetzt hab ich ein Problem. Wenn man ihm da nämlich keine ganze Parade gibt, dann entdeckt er, dass er eigentlich vom Milchmann ist und nicht vom englischen Vollblut abstammt, daher gibt es Stechtrab. Ich möchte durchparieren, was er aber nicht einsieht. Und er findet es total doof, wenn ich am Halsring rumzupfe. Das stört. Zum Glück ist er zusätzlich auch doof genug, immer noch auf Stimme anzuhalten. Er könnte schließlich auf und davongehen. Wer will ihn hindern? Ich? Mit was?
Mein Hintern tut weh, also pariere ich abermals durch. Mit Stimme. Sitzhilfen werden nämlich gerade ignoriert. Also gehe ich stumpf Schritt und hole mir mal kurz die Sitzhilfen zurück, indem ich sie abfrage. Gottlob ist er ein Vollblut und hat ein Erinnerungsvermögen, wie ein Eichhörnchen auf Koks: 0. Er hat also vergessen, dass er sich vorhin aufgeregt hat. Daher kann ich jetzt auch wieder in schön antraben. Nicht, ohne dass er nach innen drängelt, aber er lässt sich jetzt zumindest wieder mit dem Bein davon abhalten. Mehr oder minder jedenfalls.
Ich galoppiere auf beiden Händen und mache Feierabend. Frage mich aber schon, was das mit Vertrauen zu tun hatte. Oder mit Freiheit. Mein Hintern ist jetzt sicher frei. Nichtmal Haut ist mehr drauf.
Foto: Und ohne den Text würden bei dem Foto jetzt trotzdem alle klatschen.
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