Der Reiter denkt. Logisch, sind ja nicht alle völlig hohl. Wobei … manchmal muss man sich das schon fragen. Aber darum geht es heute nicht. Heute wollen wir uns damit beschäftigen, was der Reiter so denkt. Das ist beim Pferd noch sehr einfach und im Sattel noch einfacher. Eigentlich denkt er da nicht viel, er konzentriert sich auf das was er tut. Konkrete, wirklich verbal gebildete Gedanken gibt es da gar nicht. Sodass der Reiter auch anschließend aus seiner Reittrance erwacht und sich fragt, wo er eigentlich ist. Sobald die Zügel lang gelassen werden, um trockenzureiten, ist er wieder in der richtigen Welt. Da hätte eine Naturkatastrophe nebenher passieren können – er bekommt das nicht mit, wenn er reitet. Außer, er ist ein menschliches Eichhörnchen und hat auch dessen Konzentrationsspanne.
Wirklich kurios wird es, wenn der Reiter im Alltag unterwegs ist. Nie ohne sein Pferd. Jedenfalls nicht im Geiste. Das fängt schon morgens an. Ein cooler Song im Radio? Der Reiter stellt sich garantiert vor, wie es wäre dazu zu reiten. Ob Western oder Dressur, das spielt hier keine Rolle, ist der Song nur geil genug, setzt der Reiter sie im Kopf zu einer Kür um. Ob das Pferd das kann oder nicht, ist nebensächlich. Jeder ist irgendwann im Kopf auf der großen Bühne. Mit geiler Mucke. Es muss nur der richtige Song laufen. Manchmal eignet es sich, je nach Musikgeschmack nicht für eine Kür. Aber hey, ich wette die Speedmetalfans sind im Geiste schon mal einen Parcours damit gesprungen.
Es ist ein Naturgesetz: Der Reiter hört Musik, die ihm gefällt – er reitet im Kopf dazu.
Sitzt er nicht mehr im Auto, sondern auf der Arbeit, hat er trotzdem eine Menge Pferde im Kopf. Zum Beispiel, wenn Vokabular fällt, das er aus dem Stall kennt. Da schweifen seine Gedanken prompt ab. Für ihn ist der Mustang eben kein Auto, sondern ein Pferd. Und er findet Stiefel auch nicht nuttig, sondern überlegt, welche er sich denn als nächstes kaufen soll, die alten sind langsam durch.
Er wird so oder so, dank Reiterbräune immer etwas kritisch beäugt, gerade im Sommer. Das stört ihn aber nicht. Denn er ist in Gedanken, während der Mittagspause schon beim Pferd. Was soll ich denn nachher mit dem Stinker machen? Es ist sehr warm. Aber gestern hatte der schon Pause. Ne, das geht nicht, bisschen muss der ja auch im Training bleiben. Hm … mal das Internet befragen.
Anschließend stiefelt er in die Stadt. Eigentlich will er nur bummeln – für sich. Leider haben die da im Schlörladen Eimer. Und Eimer kann ja jeder Reiter gebrauchen. Und dann sind die auch noch so schön groß. Er kauft drei und bei H&M nebenan noch zwei T-Shirts. Für den Stall – die sind ja eigentlich nicht so schön, aber günstig. Streng genommen sind die also auch fürs Pferd.
Während er am nächsten Laden vorbeiläuft, lauscht er der Musik, die aus dem Eingang plärrt. Da die cool ist, reitet er also beschwingt im Kopf durch die Fußgängerzone, bis er feststellt, dass er an den meisten Läden schon vorbei ist.
Aber halt! Er wollte doch noch was kaufen. Für sich! Schnell zurück zum letzten Laden. Was gibt es da? Babyzubehör … Yeah! Erst mal ein paar Töpfchen kaufen, denn der nächste Ikea ist weit weg. Stangenarbeit kann grundsätzlich nie schlecht sein.
Im Buchladen nebenan wird vorsichtshalber noch ein Buch zur Stangenarbeit gekauft, weil die gut sortiert sind. Leider gibt es dort auch Musik. Aber die ist nicht so gut, also absolviert der Reiter in Gedanken nur eine mittelmäßige Kür.
Also ab, zurück ins Auto und schnell zum Stall. Wo er dann plötzlich darüber nachdenkt, was er heute zum Abendessen kochen kann. Sind Reiter nicht merkwürdig?
Foto: Ökotag, Halsringreiten!