Dein Pferd ging durch und nahm dich mit! Ich hasse es. Ja, wirklich. Mein Pferd macht das jetzt eher nicht, der neigt mehr zu unkontrolliertem Rumstehen, aber ich saß natürlich auch schon auf einem Durchgänger. Das ist mit das Schlimmste, was einem auf dem Pferd passieren kann. Ich kann was gegen Buckeln machen – ich kann sogar zur Not versuchen, was gegen Steigen zu machen, aber wenn das Pferd durchgeht … dieses Gefühl, wenn man merkt, dass 0 Kontrolle vorhanden ist, das ist so ziemlich das unangenehmste was einem im Sattel passieren kann.

Es ist ein schleichender Prozess. Erst ist es nur Galopp. Vielleicht sogar gewollter. Vielleicht auch was flotter. Und man ist richtig glücklich. Ein dahinfliegendes Pferd ist IMMER ein geiles Gefühl. Dann kommt aber der nächste Punkt: So, jetzt werden wir mal ein bisschen langsamer. Da kommt der erste geistige Schluckauf: Das passiert nicht. Gut, dann müssen wir jetzt was deutlicher werden. Herz rutscht in die Hose. Auch das hilft nicht. Und dann wird versucht zu kämpfen. Mit aller Kraft. Irgendwie muss man dieses dahin donnernde Vieh jetzt anhalten. Geht aber nicht. Ab da macht sich die Panik breit und der Reiter kann nur noch versuchen zu lenken, oder zu mogeln und es irgendwo vor parken. Beides ist manchmal nicht möglich.

Oft geht Durchgehen trotzdem glimpflich aus. Ganz bescheuert sind Pferde dann doch nicht (aber eben auch nicht zu 100% klar). Man fällt nicht runter, aber wenn man absteigt bekommt man plötzlich Herzklopfen, Schweißausbrüche und hat nur noch Spaghettibeine. In den meisten Fällen hätte man jetzt gerne nen Schnaps. Oder zwei, oder drei.
Das nächste Problem am Durchgehen sind dann die Klugscheißer: Ja, musst du nur mal festhalten. Hoho, das ist ja witzig. Danke, dass du das sagst. Da wäre man ja selbst gar nicht drauf gekommen. Und dann dieses Gelaber im Stall: Wer sein Pferd nicht halten kann, der soll halt nicht reiten.

Wer sein Pferd bisher immer halten konnte, dem ist der Gaul nur einfach noch nie wirklich durchgegangen. Was denken diese Leute denn, wer gewinnt? 70 Kilo Reiter? Oder 700 Kilo Pferd? Na, kommt ihr drauf? Obwohl ich natürlich auch mal angeben könnte mit: Mein Pferd kann ich ja IMMER halten. Hoho … weil er ein gutmütiger Schluff ist, der nicht einfach durchgeht. Er ist halt einfach nicht der kopflose Renner.

Meine durchgegangene Irre habe ich euch ja präsentiert. Wenn nicht mal sichtbare optische und physische Dinge ein Hindernis sind, dann wars Pferd wohl zu geschwind! Hoho. Das hat sich gereimt. Wie dem auch sei – die war halt weg und ich blöderweise noch drauf, bis wir ins Hindernis (Rails) gekracht sind. Komischerweise hat da niemand rumgeblödelt. Scheinbar ist durchgegangen erst dann approved, wenn das Pferd alles plattgebügelt hat, was auf dem Weg war. Und normalerweise ist das die erste Ohrenseuche die man auf der Bahn hört: “Was, du konntest das Pferd nicht halten? Was bist du schlecht!”

Aber im normalen Reiterleben ist es nicht besser. Durchgehen hat immer was mit Unfähigkeit zu tun. Für Leute, die noch nie davon betroffen waren. Beim Buckeln runterfallen? Kann ja passieren, passiert den Besten. Beim Steigen runtergefallen? Ja, kein Wunder, ist ja auch total gefährlich. Aber Durchgehen? Nö, ach, hast du nur keinen zünftigen Galopp vertragen.

Echt, ich beneide Leute, die diesen Moment zwischen: “geil und … oh, scheiße!” niemals erleben müssen. Da geht einem eine gewaltige Portion Unschuld beim Reiten flöten, das kann ich euch flüstern. Es ist wirklich und ehrlich gruselig. Weil man das erste Mal daran erinnert wird: Du bist hier nur Passagier. Du reitest nur deswegen auf dem Pferderücken, weil dein Pferd ein verdammt gutmütiges Tier ist. Aber wenn es wollte, dann nähme es dich mit und du könntest NICHTS dagegen tun. Gar nichts.

Foto: Kein Durchgänger. Zum Glück.