Ab und an wurde ich zum Ponyreiter gemacht. Unfreiwillig. Meinen glorreichen Sturz mit dem Arschlochpony hab ich ja schon berichtet, allerdings ist meine Ponykarriere damit nicht zu Ende. Nein, meine Reitlehrerin schleppte irgendwann ein Rennpony an. Oder sagen wir, die hielt sich dafür.
Klein, dunkelbraun, wirklich nur von Kindern zu reiten, denn Erwachsene hätten da mitlaufen können. Nennen wir sie: Der Rennschlumpf. Der Rennschlumpf hat irgendwann mal nicht mitbekommen, dass Pferderennen ausschließlich für englische Vollblüter sind und dachte sich also: Wenn ich nur genug übe, dann darf ich da mitmachen. Die Frauenzeitschriften dieser Welt sagen uns doch schon immer: Die Größe ist nicht alles.

Ich bin also die erste, die das Pony ausprobieren darf – ich bin vielleicht 11 oder 12 und ich habe meine letzte Erfahrung mit einem Pony, das sich mit Vorliebe mit Reiter hinlegt. Entsprechend skeptisch bin ich, auch wenn die kleine Dunkelbraune nett aussieht. Der Rennschlumpf ist auch nett. Die hat nur eine komische Art das zu zeigen. Sie grinst. Primär deswegen, weil die auch schon ohne Reiter loslaufen will und ich alle Mühe habe, sie vor der Hallentür zu halten.
„Tür frei, bitte“ – mit quietschenden Reifen in die Halle, ich hintendran. Pony bremst abrupt am Zirkel.

Die restlichen Schulpferde machen Glubschaugen. Was ist das hier? Aufstand in Schlumpfhausen? Ponys kennen die eher nicht so. Ein Grund sich aufzuregen? Auf jeden Fall, findet zumindest das Flugschwein aus der Stangenstunde, der plötzlich ganz viel Kragen macht und trippelnd durch die Halle zappelt.

Ich steige unterdessen auf. Da ist der Rennschlumpf nett. Bleibt stehen, guckt sich um, lässt sich auch dazu herab loszugehen. Freundlich. Die hat immer die Ohren vorne. So kleine Mini-Wini-Würstchen. Ich liebe Pferde mit Wurstohren, hab ich das schon mal erwähnt?
Wir reiten also Schritt. Ich mehr allein, weil kein Pferd bei mir sein möchte. Meine Reitlehrerin beäugt das kritisch. Und ich verstehe gar nicht, warum sie „Achtung“ vor das Kommando Trab setzt. Verstehe es aber im selben Moment, wo ich die Waden anlege.

Huiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii! Der Rennschlumpf rast an allem vorbei, ihr Nähmaschinentrab ist enorm schnell, ihre Kurvenlage die eines Motorrads und die anderen Pferde sind jetzt schon am heulen, denn dieses komische Geräusch, dass das Pony da macht, finden die gar nicht witzig.
Meine Reitlehrerin hat aber die Idee: „Brems die am Flugschwein.“ Boing! Klappt. Auch wenn der Rennschlumpf schon gierig zur Seite linst.
„Immer schön annehmen und nachgeben, die muss sich beruhigen. Die ist viel zu schnell.“ Ja, ach! Wirklich? Flugschwein findet das zwar nicht witzig, aber der geht brav seine Runde. Bis zur ersten Ecke. Der Rennschlumpf sieht nur eins – Platz! Und überholt außen IN der Ecke, ohne dass ich sie überhaupt bremsen kann.

Einmal das Flugschwein überholt, gelingt es mir, sie irgendwie einzufangen und mal zu ihr durchzudringen. Allerdings ausschließlich mit Zügel, Sitz und Wade scheitern. Bzw. führen zum Galopp. Der Rennschlumpf ömmelt so ein bisschen herum, dann lässt sie plötzlich die Rennerei und mutiert zum netten Pony, dass sogar den Kopf nett hinstellen kann. Plötzlich funktionieren auch die treibenden Hilfen ein bisschen. Reitlehrerin atmet auf. Ich atme auf.

Bis zum Galopp. Ich bin in einem ruhigen Trab, ich darf sie nicht reinrennen lassen, ergo galoppiere ich in der Ecke an. Und weiß auch gleich, warum der Sattel einen Hilfsriemen hat: Der Rennschlumpf fetzt an allen Pferden vorbei, gleich zweimal. Während meine Reitlehrerin auf die Uhr schaut. Frage mich, was das soll, aber habe alle Mühe, sie durch die Gewühl der Pferdekörper zu steuern, denn die haben sich alle ängstlich in die Ecke gedrängt und warten auf Godot.

Irgendwann hört der Rennschlumpf auf und ich bin anschließend geschüttelt, nicht gerührt. Als ich wieder durchparieren kann, tippt meine Reitlehrerin auf die Uhr, während sich langsam die anderen Pferde von der Wand schälen. Kann man jetzt wieder gefahrlos atmen?
Meine Reitlehrerin sieht aber zufrieden aus. „Immerhin war sie langsamer als beim Probereiten …“

Foto: Ghettogangster