Diese Momente kommen und gehen, aber in letzter Zeit häufen sie sich, wenn es um das Wort „muss“ geht. Ich weiß nicht, woran das liegt, ob an meinem Alter oder an den Leuten selber, aber ich höre in letzter Zeit dauernd: „Das musst du machen“, oder „Das musst du verstehen!“ – Ich muss gar nix.
Nein, wirklich, ich muss gar nix davon!

Wenn mir jemand mit „müssen“ um die Ecke kommt, schalte ich sowieso schon auf Durchzug. Zum Beispiel, wenn mir jemand unbedingt ein Gurubuch empfehlen will: „Das musst du gelesen haben!“ NEIN! Muss ich nicht! Wer hat denn das festgelegt, dass ich etwas muss? Der Knigge? Die anonyme Reiterpolizei? Kenn ich nicht. Brauch ich nicht, weg damit.

Ist ja nicht so, als würde ich nicht über meinen Tellerrand schauen wollen, aber wie die Leute einem die Sachen aufdrängen, das ist schon nicht mehr feierlich. Da steht man ganz normal am Putzplatz, schnackt mit einer Mitreiterin und plötzlich stehen sie da, wie die Zeugen Jehovas (Verzeihung, verehrte Zeugen, die sind sogar noch penetranter als ihr) und klinken sich in das Gespräch ein, obwohl sie nur ein Satzfragment mitbekommen haben: “ … Geht im Moment nicht gut …“
„Du MUSST dir ein Micklem kaufen.“
„Du MUSST Reitstunden bei XYZ nehmen!“
„Mein Pferd geht nicht gut, weil er bis gestern stehen musste!“ Denke, dass es damit getan ist. Aber nein!
„Du musst dein Pferd auf die Weide stellen, auch wenn es krank ist.“
NEIN! Muss ich nicht!
„Wer sagt das?“
„Das ist doch viel gesünder.“
„Eine offene, tiefe Wunde auf matschigen Platz? Da bleibt er lieber zwei Tage mal drin.“
„Aber du musst doch …“
„Nein, muss ich nicht!“
„Ja, aber dann musst du die richtig verbinden.“
„Nö, so kann sie offen bleiben und schneller zuheilen.“
„Aber in der Box sind ja auch Keime.“
„Ja, trotzdem weniger, als wenn ich den schmirgelnden Sand in der Wunde habe.“
„Ja, aber dann musst du die Box jeden Tag misten!“
„Na, was meinst du was ich mache? Mache ich jeden Tag!“
„Aber du musst doch auch mal darüber nachdenken, dass ein Pferd ein Lauftier ist.“
„Ja, und ich muss auch darüber nachdenken, dass er das Bein nicht schont und sich sämtlichen Matsch wieder in die Wunde schmiert.“
Abgang der „du-musst“-Weiber. Danke auch! Mein Pferd hat eine sehr schnelle Wundheilung – sofern er sich nicht ständig in den Matsch stellt. Lässt man also Salbe und Luft an die Wunde, ist der Mist auch schnell zu. Lässt man ihn auf den Paddock, tobt und blödelt er, der Mist wird dreckig und dick.

Aber ich muss natürlich. Ich muss alles. Pferde müssen bei allen möglichen Leuten auch immer. Und alles. Frage mich immer, ob die sich auch selbst so gängeln lassen. Das Pferd MUSS gute Laune haben, es MUSS immer mitarbeiten, es muss auch alles lernen und am besten alles essen.
Dass es limitiert sein könnte, vielleicht bewegungstechnisch, oder verhaltenstechnisch, das kommt manchen Leuten einfach gar nicht in den Sinn.
Es ist ein immerwährender Kampf, den man mit den „Du musst!“ Trullas ausfechten muss. Ja, das muss man wirklich. Oder man schaltet auf Nomadenmodus und redet einfach nicht mehr mit denen. Eigentlich auch eine Möglichkeit.

Foto: MUSS mithelfen bei der Stallarbeit.