Wenn Reiter das Wort Schulpferd hören, ist es ja schon fast ein pawlowscher Reflex, nur dass ihr Gegenüber nicht sabbert, sondern wie bei Rennpferden: „Ohhhhhh, der Arme!“ macht. Man könnte meinen, deutsche Reiter lernen nur auf armen, misshandelten Karusselponys und nicht auf geduldigen, liebevollen Lehrmeistern, denn was anderes hört man irgendwie nicht, wenn man über Schulpferde in einer Gruppe spricht.
Ich habe in den 90ern Reiten gelernt und dort in verschiedenen Ställen tatsächlich auch noch Ständerhaltung gesehen. Aber dort niemals geritten, weil mir schon die Wendy gesagt hat, dass Ständerhaltung böse ist.

Aber ich frage mich schon, warum heutzutage immer noch die Schulfperde immer die armen Gurken sind? Was reiten denn alle da für Pferde? Ich kann mich an jedes unserer Schulpferde, selbst wenn das nur ein paar Monate da war, erinnern und ich fand sie großartig. Was für geduldige, liebe Pferde, die ihren Reitern helfen wollten – oder ihnen auch mal zeigen wollten, wann eine Hilfe nicht richtig sitzt. Wie hätte ich sonst etwas lernen sollen? Übrigens auch das Fallen? Wir reden hier nicht davon, dass man Rodeopferde einsetzt, aber scheintot sollte auch ein Schulpferd nicht sein.

Ich versteh es nicht. Keiner will diese tollen Pferde kaufen, nachdem sie ausgedient haben. Auch das kenne ich nicht, bei uns wurden die Schulpferde meist an denjenigen verkauft, der sich in das Tier verliebt hat. Ganz viele Leute sind so zu ihrem Traumpferd gekommen. Ich würde das auch machen – oder hätte es damals gemacht, hätte ich das nötige Kleingeld gehabt. Ach, was … ein Pferd. Mindestens drei! Oder vier. Oder fünf.
Nein, das sind alles arme, alte, kaputte Pferde, die man besser nicht mehr reiten sollte. Außerdem sind sie total verritten, weil da ja Kinder draufsitzen, die nicht reiten können. Danach wird keine fünf Minuten weitergedacht, dass es für solche Art von Job ein ganz besonderes Pferd braucht – das mitnichten stumpf ist, nur weil es mal nicht auf eine treibende Hilfe hört, sondern im Gegenteil: Absolut sensibel und sehr positiv eingestellt ist – denn es verzeiht. Ein verzeihendes Pferd ist mit Gold nicht aufzuwiegen. Und es ist schwer zu bekommen.

Ich war zum Beispiel als Kind ganz verliebt in das Flugschwein. Da habe ich gelernt, wie man Galopphilfen gibt. Und zwar SEHR präzise. Wade ein Zentimeter zu weit vorne oder hinten und dieses Pferd ist nicht angaloppiert. Und wehe dem, der ihn dazu bekam, zu buckeln – derjenige lag immer unten. So einmal, alle zwei Jahre, verlor der ganz spektakulär aus Lustigkeit, oder, weil ihn sein Reiter genervt hat, mal das Anhängsel obendrauf.
Ich bin ihm heute noch dankbar. Wir sind übrigens gleichalt und er bekommt (oder bekam … ich bin mir nicht sicher, ob er noch lebt), sein Gnadenbrot.

Jeder hatte so ein Pferd, von dem er gelernt hat. Manchmal von vielen, manches Mal nur vom Lieblingsschulpferd, das das Kinderherz erobert hat. Wie kann man da sagen: Ach, es ist nur ein Schulpferd, das ist eh nur eine Gurke? Ist ja total verritten? Es ist nicht irgendein verritenes Pferd. Es ist eins, das über deine Fehler hinweggesehen hat und dich trotzdem sicher durchs Gelände getragen hat. Es ist das Pferd, das dich schön hat sitzen lassen, obwohl du es 0 unterstützt hast, damit du deine Schleife bekommst.

Wenn also das nächste Mal jemand sagt: „Oh, Gott, der Arme“, sobald jemand erwähnt, dass er ein Schulpferd gekauft hat, sagt lieber: „Oh, Gott, du hast so ein Glück.“ Denn das richtige Schulpferd ist mehr Wert, als die Nullen hinter seiner Kaufsumme.

Foto: Kein Schulpferd. Besser für alle Beteiligten.